Die Herausforderungen des echten Lebens wandeln sich kontinuierlich und formelle Bildung allein ist nicht in der Lage, den daraus resultierenden Anforderungen gerecht zu werden. Individuen müssen sich relevantes Wissen und grundlegende Fähigkeiten mittels informellen Lernens häufig selbst beibringen. Auch wenn nahezu alle relevanten Informationen dafür durch das Internet zur Verfügung stehen, fällt es oft schwer, sich in den schier unendlichen Tiefen des Internets zu orientieren. Lernende benötigen daher ein geeignetes Umfeld, um erfolgreich und eigenverantwortlich lernen zu können. Es stellt sich somit die Frage, welche Auswirkungen das individuelle Lernumfeld auf den (online) Lernerfolg hat. Im Rahmen dieses Posts soll betrachtet werden, was unter einem persönlichen Lernumfeld verstanden wird, wie dieses den eigenen Lernerfolg erhöhen kann und welche Herausforderungen mit der Konstruktion eines solchen Umfelds verbunden sind.
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Die Wissensakkumulation ist im 21. Jahrhundert nicht länger an Bildungsinstitutionen geknüpft. Stattdessen haben Individuen mithilfe des Internets die Möglichkeit sich selbst kontinuierlich weiterzubilden. Da es jedoch häufig schwerfällt, sich ohne unterstützende Strukturen in der Informationsflut des Internets zurechtzufinden, ist der Lernerfolg häufig limitiert. Ein viel betrachteter Ansatz ist die Bildung eines persönlichen Lernumfelds (engl. personal learning environment, PLE), dass das informelle Lernen des Einzelnen begünstigen soll. Auch wenn keine einheitliche Definition für PLEs existiert, so werden in der Literatur darunter zumeist verschiedene Ansammlungen von computergestützten Programmen und Netzwerken verstanden, die den individuellen Lernprozess fördern. Die Verbreitung sozialer Netzwerke hat dazu geführt, dass das Internet personenorientierter geworden ist und dies spiegelt sich auch in den individuellen Lernmöglichkeiten wider. Lernende haben die Möglichkeit, sich ihr Lernumfeld an die eigenen Bedürfnisse anzupassen und können die verschiedenen unterstützenden Medien frei kombinieren. Im Gegensatz zu Lernplattformen, die nur einer bestimmten Gruppe vorbehalten sind (z.B. Studierende und Mitarbeiter einer bestimmten Schule oder Universität), soll der Fokus von PLEs auf Offenheit und Interaktion liegen. Das Teilen von Inhalten und Wissen unter den Lernenden soll bewusst gefördert werden, sodass in einem rein digitalen Umfeld der persönliche Austausch nicht verloren geht. Informelles Lernen bedarf jedoch zumeist der Eigeninitiative seitens der Lernenden. Die Betroffenen können ihr Lernumfeld zwar individuell gestalten, müssen dafür aber auch die Auswahl und Beurteilung der Ressourcen selbst verantworten. Der Nutzen, der aus einem informellen PLE resultiert, ist unter Umständen höher als der aus formellen und stark regulierten Bildungsnetzwerken, aber dafür sind die Prozesse in der Regel komplexer. Diese Komplexität stellt eine Herausforderung für die Lernenden dar, da diese nicht nur neues Wissen, sondern auch relevante (technische) Fähigkeiten erlangen müssen, was wiederum einen zusätzlichen Aufwand entspricht.¹
Die Ersteller von Lern-Software stehen im Entwicklungsprozess vor Herausforderungen, die gemeistert werden müssen, damit Lernende die entsprechenden Programme erfolgreich im Rahmen individueller PLEs einsetzen können. Beim Design der Programme gilt es immer, Trade-Offs, die aus den verschiedenen Anforderungen resultieren, zu berücksichtigen. Individuen unterscheiden sich hinsichtlich der Art, wie sie am besten lernen und es existiert keine einheitliche Musterlösung für den bestmöglichen Lernerfolg. Entwickler müssen daher entscheiden, ob sie Programme für spezifische Anwendungsfälle kreieren wollen oder diversifizierte Optionen anbieten, die von den Nutzern selbst ausgewählt werden können.² Ein Faktor, der in allen Bereichen des Online-Lernens relevant ist, ist das Gefühl von Gemeinschaft. Die physische Distanz erschwert es den Lernenden, eine Gemeinschaft zu kreieren, in der gemeinsame Ziele und Interessen verfolgt werden können. Bewusste Interaktion sollte daher nicht vernachlässigt werden, da der Austausch den Aufbau einer Gemeinschaft fördert. Zudem haben wissenschaftliche Studien immer wieder gezeigt, dass eine höhere Beteiligung im Lernprozess zu bessern Lernergebnissen führen kann. Voraussetzung für einen hohen Einsatz ist dabei, dass die Lernenden sich innerhalb der Lerngemeinschaft wohl fühlen. Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe wirkt sich zudem positiv auf das allgemeine Lernerlebnis aus und häufig führen positive Erfahrungen dazu, dass die Lernenden ihren Einsatz erhöhen und sich somit kontinuierlich verbessern.³ Gerade beim interaktiven Lernen und in Gruppenarbeiten ist es möglich, komplexere Aufgaben zu bearbeiten, die sich an den tatsächlichen Herausforderungen des Berufslebens orientieren. Häufig liegt der Fokus jedoch auch hier auf einem reinen Informationstransfer, der den aktuellen Anforderungen des Arbeitsmarktes nicht gerecht wird. Ein authentisches Lernumfeld geht weit darüber hinaus, relevante Aufgabenstellungen zu betrachten. Stattdessen erfolgt das Lösen von spezifischen Problemen in einem anwendungsnahen Kontext, mit dem Ziel, einen möglichst hohen Lernerfolg zu erzielen. Derartige Aufgaben sind somit nicht nur an reale Probleme angelehnt, sondern sollen diese auch im Rahmen des Lösungsprozesses widerspiegeln. Problem-basiertes Lernen kann in diesem Fall zu einem besseren Lernergebnis führen, von dem die Lernenden langfristig profitieren.⁴
Die Wissensakkumulation durch die klassischen Bildungsinstitutionen ist in wenigen Berufen ausreichend, um langfristig an die Spitze der eigenen Branche zu gelangen. Statt sich auf formeller Bildung auszuruhen, investieren viele Individuen einen signifikanten Teil ihrer Zeit in informelles Lernen, um dieses Ziel zu erreichen. Während der formelle Bildungsweg in der Regel als junger Erwachsener abgeschlossen ist, stellt das informelle Lernen eine Art des lebenslangen Lernens dar. In einem dynamischen Arbeitsumfeld, das sich durch technischen Fortschritt und steigende Konkurrenz kontinuierlich verändert, müssen Arbeitnehmer Eigeninitiative zeigen, um erfolgreich zu sein. Da PLEs mitunter durchaus komplex aufgebaut sein können, kann es sich lohnen, bereits frühzeitig in den Aufbau eines Umfelds zu investieren, dass auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten ist. Die regelmäßige Verwendung und Anpassung erleichtert langfristig den Umgang mit einem komplexen Lernsystem und die Komplexität baut sich erst über einen längeren Zeitraum auf. Es ist davon auszugehen, dass viele Faktoren, die (zumindest teilweise) außerhalb der eigenen Kontrolle liegen, sich zusätzlich auf den individuellen Lernerfolg auswirken. Umso wichtiger erscheint das gezielte Ausprobieren verschiedener Programme und Netzwerke, die schlussendlich zu einem funktionierenden Gesamtkonstrukt zusammengesetzt werden können. Es ist davon auszugehen, dass Individuen sowohl im Rahmen der Ausbildung als auch im Berufsleben immer wieder mit geschlossenen Systemen konfrontiert werden, sodass das PLE in diesem Fall lediglich eine Ergänzung zu den vorgeschriebenen Systemen sein kann. Die steigende Bedeutung von Soft Skills und regelmäßiges Wechseln des Arbeitsplatzes lassen jedoch auch darauf schließen, dass übertragbare Fähigkeiten immer wichtiger werden und berufsspezifische Kompetenzen an Bedeutung verlieren. Entsprechend könnte man sagen, dass der Fokus des eigenständigen Lernens auch auf Themen liegen sollte, die in einer Vielzahl an Szenarien relevant sein könnten. Individuen sollten sich somit nicht auf abgeschlossene Lernsysteme verlassen, sondern frühzeitig in den Aufbau eines individuellen Lernumfeld investieren, dass ihnen die Möglichkeit bietet, individuelle Bedürfnisse zu befriedigen und den maximalen Lernerfolg zu generieren.
Informelles Lernen ist nur dann erfolgsversprechend, wenn geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden, die das eigenständige Lernen unterstützen. Die Informationsflut, der man sich durch das Internet ausgesetzt sieht, kann nur zielgerichtet eingesetzt werden, wenn Prozesse und Netzwerke existieren, auf die die Lernenden bei der Wissensakkumulation zurückgreifen können. Immer wieder wird in diesem Kontext über den Aufbau von PLEs gesprochen, die als Gerüst für individuelle Lernanstrengungen dienen können. Sowohl die Ersteller der unterstützenden Programme als auch die Nutzer sehen sich jedoch mit Herausforderungen konfrontiert, die es zu berücksichtigen gilt. Auf der Seite der Ersteller sind dies in der Regel signifikante Trade-Offs, wohingegen auf Seiten der Nutzer eher die Komplexität der Systeme und Prozesse ein Problem darstellen könnte. Nur wenn die Herausforderungen gemeistert werden können, ist der maximale Lernerfolg für die Lernenden erreichbar.
¹ Martindale, T., & Dowdy, M. (2010). Personal learning environments. Emerging technologies in distance education, 177-193. Edmonton: Athabasca University Press.
https://www.researchgate.net/publication/228623677_Personal_Learning_Environments.
² Collins, A. (1996). Design issues for learning environments. In S. Vosniadou, E. De Corte, R. Glaser, & H. Mandl (Eds.), International perspectives on the design of technology-supported learning environments, 347–361. Lawrence Erlbaum Associates, Inc.
https://eric.ed.gov/?id=ED357733.
³ Sadera, W. A., Robertson, J., Song, L., & Midon, M. N. (2009). The role of community in online learning success. Journal of Online Learning and Teaching, 5(2), 277-284.
https://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.1081.8806&rep=rep1&type=pdf.
⁴ Herrington, A., & Herrington, J. (2006). What is an Authentic Learning Environment? In Authentic Learning Environments in Higher Education, 1-14. IGI Global.
https://doi.org/10.4018/978-1-59140-594-8.ch001.