Das allgemeine Interesse an den Finanzmärkten ist in den vergangenen Monaten im Zuge der hohen Unsicherheit in Verbindung mit der aktuellen Pandemie rapide gestiegen. Immer mehr Menschen verfolgen die Bewegungen von Aktien und nutzen dafür unterschiedliche Informationsquellen. Insbesondere auf digitalen Plattformen – z.B. YouTube oder Instagram – findet man immer mehr Inhalte, die sich mit dem Thema auseinandersetzen. Aber auch in klassischen öffentlichen Medien wird regelmäßig über die Märkte oder auch einzelne Unternehmen berichtet. Es stellt sich somit die Frage welche Auswirkungen sich für private Anleger ergeben, wenn sie anhand der öffentlichen Informationen, die sie aus den Medien erhalten, Investmententscheidungen treffen. Im Rahmen dieses Posts soll betrachtet werden, wie sich die mediale Berücksichtigung auf die Anleger auswirken kann, welche Veränderungen dies in Bezug auf private Renditen mit sich bringt und wie (neue) Informationen bei der Preisfindung von Aktien im Allgemeinen berücksichtigt werden.
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Für eine einzelne Person ist es unmöglich einen Überblick über alle verfügbaren Aktien zu haben, da die Anzahl dafür viel zu hoch ist. Wenn nach Investitionsmöglichkeiten gesucht wird kommt es somit zu einem Suchproblem, da Individuen sich entscheiden müssen, welche Aktien sie genauer betrachten wollen. Viele – insbesondere kleine, börsennotierte Unternehmen – sind der Allgemeinheit zudem gar nicht bekannt. Die Aufmerksamkeit potentieller Anleger wird daher zum Teil stark durch öffentliche Medien gesteuert, indem diese über bestimmte Märkte, Branchen und einzelne Unternehmen berichten. Die Berichterstattung sowie das allgemeine mediale Interesse lenken die Aufmerksamkeit der privaten Anleger somit auf bestimmte Unternehmen bzw. Aktien. Diese erhöhte Aufmerksamkeit führt häufig zu kurzfristigen Kursanstiegen, da private Investoren überwiegend keine Short-Positionen besitzen und somit lediglich die Nachfrage beeinflusst wird. Derartige Investitionen, die von der medialen Berichterstattung geleitet sind, führen jedoch in der Regel zu geringeren Renditen für die privaten Anleger. Ein Grund dafür ist die falsche Bewertung der neuen Informationen, die häufig weniger signifikant sind, als es ein unerfahrener Anleger erwartet und zudem tendieren Menschen dazu sich selbst zu überschätzen. Die Überschätzung der eigenen Fähigkeiten führt zu einer höheren Handelsfrequenz, die wiederum häufig in geringeren Renditen resultiert. Profitabler wäre es für einen unerfahrenen Anleger, auf einen langfristigen Anlagehorizont und ein diversifiziertes Portfolio zu setzen.¹
Die mediale Berichterstattung allein hat jedoch keine Auswirkungen auf die Aktienkurse. Damit Veränderungen sichtbar werden, müssen die Anleger die dargestellten Informationen auch wahrnehmen. Somit ist nicht direkt die Berücksichtigung in öffentlichen Medien relevant, sondern vielmehr die Aufmerksamkeit der Investoren. Es ist jedoch schwer zu beurteilen, ob die Konsumenten der öffentlichen Nachrichten die Informationen tatsächlich wahrnehmen. Ein Ansatz, um dieses Problem zu umgehen, ist die Betrachtung von Internetsuchen. Smales (2021) hat in seiner Arbeit daher beispielsweise das Google Search Volumebetrachtet, da über die Google Suche öffentlich zugängliche Informationen angezeigt werden und die Suche aktiv stattfinden muss, sodass auch die Aufmerksamkeit der suchenden Person gegeben ist. Er hat herausgefunden, dass das Suchvolumen als geeigneter Indikator für die Aufmerksamkeit hinsichtlich einzelner Aktien bzw. Unternehmen fungiert und dass eine erhöhte Aufmerksamkeit mit unterdurchschnittlichen Renditen und einer höheren Volatilität einhergeht.² Diese Erkenntnisse sind vergleichbar mit den Ergebnissen von Fang & Peress (2009), die gezeigt haben, dass börsennotierte Unternehmen, die keine Berichterstattung in den Massenmedien erfahren, signifikant höhere Renditen erzielen. Zudem haben sie herausgefunden, dass der Umfang der medialen Berücksichtigung für einzelne Unternehmen weitestgehend stabil bleibt, sodass dies als spezifische Unternehmens-Charakteristik verstanden werden kann. Interessant ist dabei, dass öffentliche Medien zwar einen starken Einfluss auf die Aufmerksamkeit haben, jedoch nicht die individuelle Meinung der Adressaten über ein Unternehmen bzw. eine Aktie verändern.³
Wenn man versuchen will, diese Beobachtungen zu erklären, muss zunächst betrachtet werden, wie Aktienkurse entstehen und wie sie sich verändern. Wenn Unternehmen bzw. Aktien in Massenmedien betrachtet werden, steigt wie beschrieben häufig auch die Aufmerksamkeit unter den (potentiellen) Investoren. Wenn diese sich entschließen, die dargestellten Aktien zu erwerben, steigt die Nachfrage und dieser Anstieg resultiert in der Regel in steigenden Kursen. Die Berichterstattung in den Medien könnte somit zu einem Kursanstieg führen, ohne dass sich die fundamentalen Unternehmensdaten verändert hätten. Ein denkbares Resultat daraus wäre somit, dass börsennotierte Unternehmen, die in der Öffentlichkeit stehen bzw. einen hohen Bekanntheitsgrad innerhalb der Bevölkerung genießen, tendenziell höher bewertet sind als solche, die nicht in der öffentlichen Wahrnehmung stehen. Wenn derartige Aktien durch das mediale Interesse also tendenziell überbewertet sind, könnte dies eine Erklärung dafür darstellen, warum Unternehmen, die nicht in einem solchen Umfang in der Öffentlichkeit stehen, höhere Renditen erzielen. Ein zentraler Aspekt, der dabei auch nicht vergessen werden sollte, ist, dass Aktienkurse nicht die tatsächliche Wirtschaftslage einzelner Unternehmen oder Märkte widerspiegeln, sondern die Erwartungen der Investoren. Zudem führt die zeitliche Verzögerung bei der Aufnahme von Informationen aus Massenmedien möglicherweise zu Nachteilen für private Anleger. Bevor Neuigkeiten, die für die Bewegungen an den Aktienmärkten relevant sind, in Massenmedien berücksichtigt werden, sind diese Informationen häufig schon in fachspezifischen Medien veröffentlicht. Wenn ein privater Investor in den öffentlichen Medien Informationen erhält, die dazu führen, dass die Person bestimmte Aktien erwerben möchte, ist in der Regel davon auszugehen, dass insbesondere institutionelle Anleger diese Informationen schon verarbeitet und im Rahmen ihrer eigenen Aktivitäten berücksichtigt haben. Wenn dies tatsächlich der Fall ist, ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass die (positiven) Neuigkeiten schon in den aktuellen Kursen inkludiert sind.
Eine Empfehlung, die man privater Anleger häufig hört, ist, dass man nur in Aktien von Unternehmen investieren sollte, wenn man von dem jeweiligen Unternehmen überzeugt ist und sich mit den Produkten und Dienstleistungen auskennt. An dieser Stelle ist jedoch fraglich, ob derartige Entscheidungsmuster tatsächlich dazu führen, dass private Anleger in profitablere Unternehmen mit hohen Renditen investieren. Möglicherweise resultieren die höheren Renditen dabei nämlich aus der Veränderung in der Art und Weise wie derartige Investitionen realisiert werden. Wenn Investoren von einem Unternehmen überzeugt sind, sind sie möglicherweise eher dazu bereit, negative Schlagzeilen zu tolerieren und ihre Positionen langfristig zu halten, statt sie umgehend abzustoßen. In den vorangegangenen Abschnitten wurde schon betrachtet, dass eine hohe Handelsfrequenz insbesondere die Renditen von unerfahrenen Anlegern senkt. Unter Umständen profitieren Anleger also tatsächlich von der genannten Empfehlung, jedoch nicht, weil sie besonders gute Entscheidungen treffen, sondern weil der langfristige Anlagehorizont die Unsicherheit durch kurzfristige Kursschwankungen verringert und weniger irrationale bzw. emotionale Verkaufsentscheidungen getroffen werden. Diese Erkenntnis könnte zudem das Problem der Überschätzung der eigenen Fähigkeiten verringern, da Anleger sich bewusstwerden könnten, dass nicht ihre Auswahl der Aktien, sondern dass der langfristige Anlagehorizont den Grund für die höheren Renditen des eigenen Portfolios darstellt.
Die öffentliche Berichterstattung in den Medien hat einen wesentlichen Einfluss darauf, welche Aktien private Investoren für ihr Portfolio in Betracht ziehen. Allerdings hat die Berichterstattung nur dann einen direkten Einfluss, wenn Anleger die Informationen auch tatsächlich wahrnehmen. Massenmedien können somit über die Steuerung der Aufmerksamkeit private Investmententscheidungen beeinflussen. Privaten Investoren sollte dabei jedoch immer bewusst sein, dass sie bei der Informationsaufnahme tendenziell benachteiligt sind. Dies gilt insbesondere beim Vergleich mit institutionellen Anlegern. Investitionen in öffentlichkeitswirksame Unternehmen weisen zumeist unterdurchschnittliche Renditen auf und die asymmetrische Informationsverteilung erhöht das Risiko für private Anleger. Diese sollten sich ständig bewusst sein, dass Neuigkeiten in Massenmedien häufig weniger signifikant sind, als sie es vermuten und dass immer die Gefahr der Selbstüberschätzung besteht. Es ist jedoch gleichzeitig zu betonen, dass jeder von den Finanzmärkten profitieren kann, solange die eigene Emotionalität unter Kontrolle gehalten wird und keine irrationalen Entscheidungen getroffen werden.
¹ Barber, B. M., & Odean, T. (2008). All That Glitters: The Effect of Attention and News on the Buying Behavior of Individual and Institutional Investors. The Review of Financial Studies, 21(2), 785–818.
https://doi.org/10.1093/rfs/hhm079.
² Smales, L. A. (2021). Investor attention and global market returns during the COVID-19 crisis. International Review of Financial Analysis, 73, 101616.
https://doi.org/10.1016/j.irfa.2020.101616.
³ Fang, L., & Peress, J. (2009). Media Coverage and the Cross-section of Stock Returns. The Journal of Finance, 64(5), 2023–2052.
https://doi.org/10.1111/j.1540-6261.2009.01493.x.