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Sollte sich die individuelle Entscheidungsfindung stärker auf Opportunitätskosten stützen?

Veröffentlicht am: Sep 27, 2021

Die Beschleunigung des alltäglichen Lebens führt gemeinsam mit dem kontinuierlich steigenden Angebot an Konsummöglichkeiten dazu, dass Individuen immer mehr und immer schneller Entscheidungen treffen (müssen). Viele dieser Entscheidungen erfolgen intuitiv und erscheinen eher irrational, wenn sie von außen betrachtet werden. Wenn Individuen nicht die bestmögliche Alternative wählen, bedeutet dies, dass die vorhandenen Ressourcen nicht optimal genutzt werden (können). Es sollte daher im Interesse aller sein, den eigenen Entscheidungsfindungsprozess zu verbessern. Ein wesentlicher Aspekt dieses Prozesses ist die Berücksichtigung von Opportunitätskosten, die in der Praxis häufig vernachlässigt werden. Es stellt sich somit die Frage, ob Individuen bei der individuellen Entscheidungsfindung einen stärkeren Fokus auf die Opportunitätskosten legen sollten. Im Rahmen dieses Posts soll betrachtet werden, was Opportunitätskosten sind, inwieweit sie das Verhalten und den Entscheidungsprozess beeinflussen und ob die Vorteile der Berücksichtigung den damit verbundenen Mehraufwand rechtfertigen.

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Um zu verstehen, warum Opportunitätskosten ein wichtiger Bestandteil der individuellen Entscheidungsfindung sein können, sollte zunächst betrachtet werden, was unter dem Begriff Opportunitätskosten verstanden wird. Investopedia definiert sie als

“the potential benefits an individual, investor, or business misses out on when choosing one alternative over another.”¹

In der Praxis lassen sich viele Definitionen finden, die sich lediglich im Wortlaut unterscheiden, jedoch das gleiche ausdrücken: Individuen müssen zwischen verschiedenen Alternativen wählen, wenn sie ihre begrenzten Ressourcen einsetzen und diese Selektion führt dazu, dass nicht alle wünschenswerten Ergebnisse erzielt werden können. Vereinfacht gesagt bedeutet dies, dass der individuelle Ressourceneinsatz nicht nur einen Wert kreieren muss, sondern dass dieser Wert höher sein muss als der Wert, der durch die nächstbeste Alternative kreiert werden würde. Dieses Prinzip lässt sich nahezu auf alle Ressourcen anwenden, im Alltag bezieht es sich jedoch im Wesentlichen auf die zwei zentralen Ressourcen, die Individuen zur Verfügung stehen: Zeit und Geld. Da die Berücksichtigung der Opportunitätskosten signifikante Implikationen für die Wahl der bestmöglichen Handlungsalternative mit sich bringt, sollte sie ein zentraler Bestandteil des Entscheidungsprozesses sein. Spiller (2011) betont in seiner Arbeit jedoch, dass dies in der Realität nicht die Regel, sondern die Ausnahme ist. Das Ziel seiner Arbeit war es daher, zu untersuchen, in welchen Situationen Individuen die Opportunitätskosten berücksichtigen und wie sich dies auf das Leben der entsprechenden Personen auswirkt. Er kommt zu dem Schluss, dass Menschen Opportunitätskosten nur dann in ihren individuellen Entscheidungsprozess inkludieren, wenn ihnen bewusst ist, dass die verfügbaren Ressourcen nur eingeschränkt nutzbar bzw. begrenzt sind und/oder wenn die entsprechenden Personen von vorneherein eine starke Neigung zur Planung haben. Individuen, die Opportunitätskosten berücksichtigen, sind tendenziell finanziell besser aufgestellt als jene, die es nicht tun. Gleichzeitig betont der Autor, dass die kontinuierliche Abwägung aller Alternativen sich negativ auf das Wohlbefinden auswirken kann, obwohl die entsprechenden Personen immer die bestmögliche Alternative wählen. Die höhere Unzufriedenheit, die in diesem Kontext zunächst widersprüchlich erscheint, resultiert vermutlich daraus, dass der wahrgenommene Wert der einzelnen Alternativen geschwächt wird, wenn die bestmögliche Alternative mit den anderen verfügbaren Optionen verglichen wird.²

Opportunitätskosten können jedoch nicht nur dann auftreten, wenn Entscheidungen getroffen werden, sondern auch, wenn sie nicht getroffen bzw. hinausgezögert werden. Wenn das Hinauszögern einer Entscheidung dazu führt, dass das Ergebnis der Handlungsalternative abgeschwächt wird, dann können die Opportunitätskosten einen Zeitdruck kreieren, der sich auf die Erreichung von Zielen auswirken kann. Wenn ein solcher Druck vorliegt, führt dies häufig zu einer Senkung der Genauigkeit und die Strategien der Entscheidungsfindung müssen entsprechend angepasst werden. Um die gesetzten Ziele zu erreichen, sollte der Entscheidungsprozess eher in die Breite als in die Tiefe gehen. Statt die einzelnen Möglichkeiten vollumfänglich gegeneinander abzuwiegen, sollte das gesamte Spektrum der Handlungsalternativen berücksichtigt werden und die Entscheidung anhand relevanter Attribute erfolgen. Auch wenn der zeitliche Druck der Opportunitätskosten in der Praxis häufig vorkommt, ist es schwierig, ihn realistisch zu schätzen, sodass Anwender häufig vor komplexen Entscheidungsproblemen stehen.³ Shaw (1992) weist in seiner Arbeit zudem daraufhin, dass insbesondere die Berücksichtigung der individuell verfügbaren Zeit weitaus komplexer ist, als es häufig angenommen wird. Er betont, dass zwischen dem Wert der Zeit und den Opportunitätskosten ein Unterschied besteht, andernfalls wäre die Zeit von Menschen ohne Arbeitslohn praktisch wertlos. Die mathematische Ausführung würde an dieser Stelle den Rahmen dieses Blogs sprengen, die zugrundeliegende Erkenntnis ist jedoch im Kontext dieses Posts relevant. Wenn Individuen die Opportunitätskosten im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen wollen, kann die eigene Zeit nicht mit dem eigenen Arbeitslohn gleichgesetzt werden. Herkömmliche Modelle der Volkswirtschaftslehre müssten entsprechend angepasst werden, um der komplexen Beziehung zwischen dem Wert der Zeit und den Opportunitätskosten der Zeit gerecht zu werden.⁴

Das vielleicht stärkste Argument für die Berücksichtigung der Opportunitätskosten ist die Tatsache, dass Entscheidungen, die diese unberücksichtigt lassen, häufig irrational sind. Unsere alltäglichen Handlungen basieren in der Regel auf einem Trade-Off, der durch die Opportunitätskosten dargestellt werden kann: Die Entscheidung für etwas ist gleichzeigt eine Entscheidung gegen etwas anderes. Individuen, die die verschiedenen Alternativen gegeneinander abwiegen, sind prädestiniert, bessere Entscheidungen zu treffen. Auch wenn eine exakte Quantifizierung der Opportunitätskosten häufig mit einem hohen Aufwand verbunden wäre, kann bereits eine grobe Schätzung den Entscheidungsprozess effektiver und effizienter gestalten. Wie oben bereits beschrieben, kann das ständige Vergleichen der verschiedenen Alternativen kurzfristig eine Unzufriedenheit erzeugen, die viele unter Umständen als etwas Negatives ansehen würden. Insbesondere Individuen, die langfristige Ziele verfolgen und sich bewusst sind, dass diese Unzufriedenheit möglicherweise ein notwendiges Übel ist, um ambitionierte Ziele zu erreichen und Erfolg zu haben, sollten sich davon nicht abschrecken lassen. Selbst wenn die Zielerreichung davon widererwarten nicht positiv beeinflusst werden sollte, ist immer noch davon auszugehen, dass die betroffenen Personen zumindest ihre verfügbaren, knappen Ressourcen mehr zu schätzen wissen und diese bewusster einsetzen. Aus dieser Perspektive erscheint es durchaus sinnvoll, die Bevölkerung über die Wirkung der Opportunitätskosten im Entscheidungsprozess aufzuklären und ihnen mehr Gewicht zuzuweisen. Die Abwägung von verschiedenen Alternativen anhand der in Kauf genommenen Kosten ermöglicht es, rationale Entscheidungen zu treffen und vorausschauend zu handeln.

Auch wenn das menschliche Verhalten überaus komplex ist, ist davon auszugehen, dass Individuen die Verbesserung der eigenen Situation anstreben und daher versuchen, die bestmöglichen Entscheidungen zu treffen. Diese Annahme scheint sich in der Realität jedoch nicht bestätigen zu lassen. Immer wieder treffen Individuen irrationale Entscheidungen und unterminieren ihren eigenen Erfolg. Eine Erklärung dafür bietet die fehlende Berücksichtigung der Opportunitätskosten, die mit einer Entscheidung verbunden sind. Dadurch, dass eine Entscheidung für etwas gleichzeitig eine Entscheidung gegen etwas anderes ist, müssen die verschiedenen Alternativen gegeneinander abgewogen werden. Die Tatsache, dass eine Handlung für die handelnde Person einen Wert kreiert, ist unter Berücksichtigung der Opportunitätskosten allein nicht ausreichend, um diese Handlung aufzunehmen. Stattdessen muss ihr Wert höher sein als der Wert, den die Person den verfügbaren Alternativen zuweist. Nur in diesem Fall kann die Ressourcenallokation effektiv und effizient sein. Es kann somit argumentiert werden, dass es langfristig von Vorteil ist, die Opportunitätskosten im Rahmen der Entscheidungsfindung stärker zu berücksichtigen.

¹ Fernando, Jason (Reviewed by Amy Drury, Fact checked by Pete Rathburn). 2021. “Opportunity Cost”. Investopedia. Accessed September 27, 2021.
https://www.investopedia.com/terms/o/opportunitycost.asp.

² Spiller, S. A. (2011). Opportunity cost consideration. Journal of Consumer Research, 38(4), 595-610.
https://doi.org/10.1086/660045.

³ Payne, J. W., Bettman, J. R., & Luce, M. F. (1996). When time is money: Decision behavior under opportunity-cost time pressure. Organizational behavior and human decision processes, 66(2), 131-152.
https://doi.org/10.1006/obhd.1996.0044.

⁴ Shaw, W. D. (1992). Searching for the Opportunity Cost of an Individual’s Time. Land Economics, 107-115.
https://doi.org/10.2307/3146747.

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