Die meisten Menschen, die sich Ziele setzen, haben klare Vorstellungen, welche Handlungen notwendig sind, um die eigenen Ziele auch zu erreichen. Häufig weicht das tatsächliche Verhalten jedoch von den benötigten Verhaltensweisen ab, sodass die Zielerreichung gefährdet wird. Viele Menschen lassen sich von ihren Emotionen verleiten und bereuen zu einem späteren Zeitpunkt das impulsive Handeln bzw. die mangelnde Disziplin. Es stellt sich somit die Frage, wie Menschen ihr eigenes Verhalten regulieren (können) und inwieweit sich dies auf die eigene Leistung und die individuellen Erfolge auswirkt. Im Rahmen dieses Posts soll betrachtet werden, aus welchen Bestandteilen sich der Prozess der Selbstregulierung zusammensetzt, was unter dem Begriff in der Praxis verstanden wird und welche Implikationen sich daraus für den eigenen Alltag ableiten lassen.
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Der Begriff Selbstregulierungwird nicht nur vielen unterschiedlichen Bereichen innerhalb der Psychologie verwendet, sondern findet zunehmend auch in der Wirtschaft und im Bildungsbereich Berücksichtigung. Unter die Selbstregulierung fällt sowohl die Kontrolle durch das Selbst als auch die Kontrolle über das Selbst. Dabei ist sie jedoch nicht nur auf bewusste Prozesse anwendbar, sondern wird auch bei der Erklärung von unterbewussten Steuerungsmechanismen herangezogen. Als wichtiger Bestandteil des psychologischen Verständnisses, wie Menschen sich verhalten, findet Selbstregulierung eine hohe Beachtung in der wissenschaftlichen Literatur. Vohs & Baumeister (2004) argumentieren beispielsweise, dass eine Vielzahl gesellschaftlicher Probleme – von Übergewicht bis zum Konsum von Suchtmitteln – auf Aspekte der Selbstregulierung zurückzuführen ist.¹ Das hohe Volumen an wissenschaftlichen Arbeiten zu diesem Thema sowie die Aufteilung auf eine Vielzahl verschiedener Bereiche führt dazu, dass es nahezu unmöglich ist, eine einheitliche Definition für den Begriff der Selbstregulierung zu finden. Die American Psychological Association (APA) definiert den Begriff beispielsweise wie folgt:
„…the control of one’s behavior through the use of self-monitoring (keeping a record of behavior), self-evaluation (assessing the information obtained during self-monitoring), and self-reinforcement (rewarding oneself for appropriate behavior or for attaining a goal).”²
Auch wenn eine Vielzahl an Definitionen und Verständnissen für das komplexe Konstrukt der Selbstregulierung existiert, herrscht dennoch vergleichsweise Einigkeit darüber, dass Selbstregulierung aus mehreren Komponenten besteht. Dazu gehört jeweils eine Form der Beobachtung, der Bewertung sowie der Umsetzung bzw. Belohnung im Rahmen des eigenen Verhaltens. Folgt man in diesem Kontext beispielsweise dem Verständnis von Bandura (1991), dann lässt sich der Prozess der Selbstregulierung in die Beobachtung, die Beurteilung und die Reaktion aufteilen. Im Rahmen der Beobachtung ist nicht nur die Leistung der jeweiligen Person relevant, sondern auch die Umstände, unter denen die Leistung zustande gekommen ist, sowie die kurzfristigen und langfristigen Folgen, die aus der eigenen Handlung resultierten. Neben diesen Aspekten sind auch interne Prozesse wie beispielsweise Denkmuster und emotionale Reaktionen zu berücksichtigen. Die aus der Beobachtung gewonnenen Erkenntnisse können nachfolgend im Zielsetzungsprozess verwendet werden, indem adäquate Ziele gesetzt werden bzw. bereits gesetzte Ziele hinsichtlich ihrer Erreichung bewertet werden. Die Erkenntnisse allein sind jedoch nur der erste Schritt und lediglich bedingt wirksam. Vielmehr bedarf es persönlicher Standards, an denen das beobachtete Verhalten gemessen und ausgerichtet werden kann. Derartige Standards, die im Bewertungsprozess benötigt werden, können jedoch nicht von außen vorgegeben werden, sondern sind das Ergebnis eines langwierigen Prozesses und sind (insbesondere) zu Beginn häufig inkonsistent in ihrer Darstellung nach außen. Die Existenz von persönlichen Standards ist wichtig, da diese die Grundlage für die Ausrichtung der eigenen Verhaltensmuster darstellen. Das Verhalten, das beobachtet wird, wird anhand der definierten Standards bewertet und kann bei Bedarf anschließend neu ausgerichtet werden, um die Erreichung der Ziele zu fördern. Ein wichtiger Bestandteil des Reaktionsprozesses sind zudem geeignete Anreizstrukturen, da diese als Form der selbstständigen Belohnung einen motivierenden Charakter aufweisen können und das zielorientierte Handeln fördern. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Belohnung auch an ein in Vorfeld klar definiertes Leistungsniveau geknüpft sein muss, statt unabhängig vom tatsächlichen Ergebnis ausgeschüttet zu werden.³
Es ist zu vermuten, dass die meisten Probleme nicht im Rahmen des Beobachtungsprozesses auftreten werden. Auch wenn Menschen immer wieder situative Einflüsse oder kausale Verknüpfungen in Bezug auf die eigenen Handlungserfolge falsch einschätzen, sollte dieser Bereich eher weniger Schwierigkeiten mit sich bringen. In der Regel lässt sich das eigene Verhalten gut beobachten und mit ein bisschen Übung, sollte auch die Zuordnung interner Steuerungsmechanismen keine signifikante Herausforderung darstellen. Wichtig ist dabei jedoch, dass man ehrlich ist und sich die eigene Emotionalität eingesteht. Das Handeln gemäß persönlicher Standards erscheint schon schwieriger, da diese wie oben beschrieben das Ergebnis eines langfristigen Prozesses sind. Menschen, die ambitionierte Ziele verfolgen, sollten somit frühzeitig in die Entwicklung und Formulierung derartiger Standards investieren und ihr Handeln konsequent daran ausrichten. Das disziplinierte Verhalten könnte dann zu einer gewissen Automation führen, sodass unter verschiedenen situativen Einflüssen intuitiv die richtige bzw. zielgerichtete Handlung realisiert wird. Zudem ist es denkbar, dass geeignete Standards gemeinsam mit gefestigten Verhaltensmustern dazu führen, dass Individuen nicht mehr so einfach Versuchungen unterliegen, sondern disziplinierter ihre Ziele verfolgen.
Persönliche Standards sind nicht nur für die eigene Leistung relevant, sondern lassen sich auch im Hinblick auf die eigenen moralischen Überzeugungen formulieren. In diesem Kontext erscheint der Selbstregulierungsprozess ein wesentlicher Bestandteil in der Ausbildung des eigenen Charakters zu sein. Es steht außer Frage, dass ein hoher Leistungsanspruch an sich eine positive Eigenschaft ist. Trotzdem lässt sich argumentieren, dass dem eigenen Charakter sowie den moralischen Überzeugungen ein vielleicht noch höherer Stellenwert im Zuge der persönlichen Entwicklung zukommt. Die Standards, an denen das eigene Verhalten gemessen wird, entstehen nicht nur aus den eigenen Überzeugungen und Wahrnehmungen der jeweiligen Person, sondern werden auch durch die Reaktionen von anderen Personen geformt. Somit hat jede Person eine gewisse Verantwortung, wenn sie mit anderen Menschen interagiert, da sie mit ihrem Verhalten unter Umständen die persönlichen Standards des Gegenübers beeinflusst. Insbesondere für den Umgang mit Kindern und Jugendlichen könnte dies eine wichtige Implikation sein, da die Referenzwerte zur Bewertung des eigenen Verhaltens bei jüngeren Personen noch nicht gefestigt sind bzw. vielleicht noch gar nicht bewusst kreiert wurden. Der Selbstregulierungsprozess könnte somit in zwei wesentliche Bereiche aufgeteilt werden. Auf der einen Seite steht die Kontrolle, da die überwachende Funktion im Prozess dazu beiträgt, dass das eigene Verhalten tatsächlich zu den gewünschten Ergebnissen führt. Auf der anderen Seite steht die Ausrichtung, die die leitende Funktion des Prozesses die Ausbildung geeigneter Standards unterstützt, an denen das eigene Verhalten gemessen und bewertet wird.
Selbstregulierung kann als eine Art Fähigkeit bezeichnet werden, die erlernt werden kann und es Menschen ermöglicht, das eigene Verhalten an vordefinierten Zielen auszurichten bzw. hinsichtlich vordefinierter Ziele zu bewerten. Im Wesentlichen lässt sich der Prozess der Selbstregulierung – unabhängig vom expliziten Verständnis – in drei zentrale Komponenten unterteilen: die Beobachtung des eigenen Verhaltens, die Bewertung des Verhaltens anhand persönlicher Standards sowie die (zielorientierte) Anpassung des Verhaltens bzw. Belohnung für adäquates Verhalten. Die Selbstregulierung hat dabei sowohl eine leitende als auch eine kontrollierende Funktion für den Einzelnen. Menschen, die in der Lage sind, ihr Verhalten unter verschiedenen situativen Einflüssen entsprechend konstant zu gestalten und sich an den selbstgesetzten Standards zu orientieren, können ambitioniertere Ziele verfolgen und diese schlussendlich auch erreichen.
¹ Vohs, K. D., & Baumeister, R. F. (2004). „Understanding self-regulation: An introduction.” In Handbook of self-regulation: Research, theory, and applications, edited by R. F. Baumeister & K. D. Vohs, 1-9. New York: The Guilford Press.
http://ndl.ethernet.edu.et/bitstream/123456789/28342/1/162.pdf.pdf.
² American Psychological Association. N.d. “APA Dictionary of Psychology”. APA. Accessed May 16, 2021.
https://dictionary.apa.org/self-regulation.
³ Bandura, A. (1991). Social cognitive theory of self-regulation. Organizational behavior and human decision processes, 50(2), 248-287.
https://doi.org/10.1016/0749-5978(91)90022-L.