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Warum ist es so wichtig, Fragen zu stellen?

Veröffentlicht am: Dez 6, 2021

Niemand ist in der Lage, alles zu wissen – dieser Umstand ist unbestritten. Individuen haben somit immer die Möglichkeit, Neues zu entdecken und sich umfangreicheres Wissen anzueignen. Der konstruktive Austausch von Informationen und die menschliche Interaktion sind ein wesentlicher Bestandteil unseres Alltags, der ohne Fragen wohl weitestgehend zum Erliegen kommen würde. Von klein auf lernen wir durch Fragen, deren Stellen unterschiedlich begründet sein kann. Fragen ermöglichen es, die eigene Neugier zu befriedigen, Wissen zu akkumulieren, zwischenmenschliche Beziehungen aufzubauen und Fortschritt zu erzielen. Es stellt sich somit die Frage, welche Bedeutung dem Stellen von Fragen in unserem Alltag zukommt. Im Rahmen dieses Posts soll betrachtet werden, wie sich das Stellen von Fragen auf den Lernprozess auswirkt, warum das Fragenstellen eine erlenbare Fähigkeit ist und wie Individuen, Gruppen und Organisationen von Fragen profitieren können.

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Geeignete Fragen kreieren eine Verknüpfung zwischen Reden und Denken und können einem Kontext Bedeutung geben. Der Ort, an dem dies wahrscheinlich am wichtigsten ist, sind Bildungsinstitutionen. Leider ist in vielen Klassenzimmern und Hörsälen nur wenig Platz für (bedeutsame) Fragen. In den meisten Fällen sind Lehrende Autoritätspersonen, sodass zwischen Lehrenden und Lernenden eine Distanz geschaffen wird, die sich auf die Lerndynamik auswirkt. Die Lehrenden stellen Fragen, zu denen sie die Antwort kennen und erwarten, dass die Lernenden diese Fragen beantworten können. Die Fragestellungen sind dabei nur selten offen. Stattdessen gehen die Lernenden davon aus, dass es lediglich eine oder wenige korrekte Antworten gibt. Statt sich tiefergehend mit einer Frage oder einer Situation auseinanderzusetzen, versuchen sie in diesem Fall eher zu erraten, was die lehrende Person im Kopf hat. Während sich der Bildungsapparat weitestgehend auf Fragen, die auf Fakten ausgerichtet sind, stützt, sind es gerade die vernachlässigten, offenen Fragen, die einen umfangreichen Denkprozess anstoßen und die Kreativität fördern. Oftmals erscheint es so als ob das Lehren gegenüber dem Lernen priorisiert wird.¹ Individuen erlangen Wissen und Kompetenzen häufig nicht nur durch das Lernen von Fakten, sondern durch Interaktion. Ein offensichtliches Beispiel dafür ist das Erlernen einer neuen Sprache, da hier die Interaktion nicht nur das allgemeine Verständnis verbessert, sondern insbesondere auch das Kontextverständnis. Menschen sind in der Lage, sich an eine Vielzahl an Situationen anzupassen, indem sie Fragen stellen. Auch Maschinen sollen auf diese Art lernen, zu lernen. Li et al. (2016) argumentieren, dass sich nahezu alle Fehler, die Lernende machen, drei Kategorien zuordnen lassen: Verständnis, Begründung und Wissensstand.² Auch wenn die Autoren sich in ihrer Arbeit auf Maschinen und Roboter beziehen, scheint es keinen offensichtlichen Grund zu geben, warum diese Kategorien nicht auch bei Menschen angewandt werden können.

Unabhängig von der individuellen Situation, in der sich eine lernende Person befindet, können durch das Nachfragen Herausforderungen bewältigt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Mangel an notwendigem Wissen, die Verknüpfung von Wissen oder das allgemeine Verständnis die Ursache für die Schwierigkeiten ist. Fragen zu stellen und nach aussagekräftigen Antworten zu suchen, ist die Grundlage der Wissenschaft und ohne Fragen kann es keine Fakten geben. Als stärkstes Motiv dafür dürfte die menschliche Neugier dienen. Während Kinder jedoch nahezu immer Fragen stellen, nimmt die Regelmäßigkeit mit zunehmendem Alter ab. Dadurch, dass Fragen das selbstständige Lernen begünstigen und zum kritischen Denken anregen, sollte dieser Umstand nachdenklich stimmen und als Grund für notwendige Veränderungen angesehen werden. Statt sich als „allwissend“ darzustellen, sollte das Eingeständnis, dass man etwas nicht weiß, gesellschaftlich akzeptiert und normalisiert werden. Bedeutsame Fragen zu stellen, ist eine Fähigkeit, die gefördert und trainiert werden kann und muss. Die Aufgabe einer lehrenden Person – losgelöst vom Beruf Lehrer – sollte es somit sein, ein sicheres Lernumfeld zu gewährleisten und als eine Art Katalysator zu fungieren.³

Das Großartige an Fragen ist, dass sie noch nicht einmal ausgesprochen werden müssen, um ihre Wirkung zu entfalten. Fragen sind wesentlicher Bestandteil einer ehrlichen Selbstreflektion und dienen somit auch dann als Grundlage für ständige Verbesserung und Anpassung an eine dynamische Umwelt, wenn Individuen sie nur sich selbst stellen. Das Lernen ist eine lebenslange Aktivität und niemand kann zu einem bestimmten Zeitpunkt sagen, dass diese Aufgabe vollendet ist. Folgt man dieser Logik, gibt es auch keine Begründung dafür, aufzuhören, Fragen zu stellen. Insbesondere in Gruppen ist davon auszugehen, dass es immer eine Möglichkeit gibt, von dem Wissen und den Erfahrungen anderer zu profitieren. Kritische Fragen ermöglichen es, zu beurteilen, über welches Wissen man selbst, der Gegenüber oder das Team/die Gruppe tatsächlich verfügt. Der bewusste Austausch mit anderen führt häufig zu interessanten Erkenntnissen und neuen Ideen. Individuen, die keine Fragen stellen, nehmen sich selbst die Möglichkeit, unmittelbar von diesem Prozess zu lernen und zu profitieren. Immer wieder scheinen Individuen jedoch Angst davor zu haben, „dumme“ Fragen zu stellen oder sich durch eine Frage selbst angreifbar zu machen. Uns sollte dabei bewusst sein, dass unser Verhalten in einer solchen Situation dazu führt, dass wir den Betroffenen die Möglichkeit nehmen, als Person zu wachsen. Es sollte daher im Interesse der Gesellschaft sein, ein sicheres Umfeld zu erschaffen, indem niemand Angst vor einer negativen Beurteilung haben sollte, nur weil er eine Frage stellt.

Bereits einfache Fragen können ein riesiges Potential für positive Veränderung aufweisen. Nur wenn irgendjemand mit dem Status Quo unzufrieden ist und sich die Frage stellt, warum bestimmte Dinge so funktionieren, wie sie es tun, kann es eine Veränderung geben. Gleiches gilt für Innovationen, da diese zwangsläufig nur dann zu Stande kommen, wenn von der Norm abgewichen wird. Das Ausbrechen aus vorgegebenen Strukturen fördert gleichzeitig die Kreativität, da Individuen sich nicht länger mit klaren Grenzen konfrontiert sehen. Die Überzeugung, dass es einen besseren Weg geben muss, etwas zu tun, geht einher mit der Erkenntnis, dass diese Alternative noch unentdeckt ist. Die Unwissenheit kann in einer solchen Situation als treibende Kraft für bahnbrechende Forschung und kontinuierliche Verbesserung dienen. Zudem erscheint es wahrscheinlich, dass die eigene Neugier – zumindest teilweise – in Verbindung mit den eigenen Interessen und Vorlieben steht und Individuen somit eher bereit sind, höhere Anstrengungen zu unternehmen, um nach Antworten auf die damit verbundenen Fragen zu suchen.

Das Bedürfnis, Fragen zu stellen und neues Wissen zu akkumulieren, geht Hand in Hand mit der menschlichen Neugier. Am Anfang von jeder Veränderung, jeder Innovation und jedem wissenschaftlichen Durchbruch steht eine Frage und die Suche nach einer plausiblen Antwort bringt neue Erkenntnisse und Ideen mit sich. Eine Welt ohne Fragen befindet sich im Stillstand und daher sollte in unserer Gesellschaft immer Platz für bedeutungsvolle Fragen sein. Auch das Bildungssystem sollte die große Verantwortung tragen und Lernende auf der Suche nach eigenen Erkenntnissen unterstützen, statt ihnen ausschließlich Fakten vorzulegen. Die Schule ist ein Ort, der viele Menschen geprägt hat und es ist davon auszugehen, dass diejenigen, die die notwendige Unterstützung erfahren haben, eigenverantwortlich zu forschen und zu lernen, auch diejenigen sind, die die Gesellschaft mit ihrer Kreativität und ihrem Streben nach Innovationen nach vorn bringen. Das nächste Mal, wenn wir das Gefühl haben, dass jemand eine „dumme“ Frage stellt, sollten wir wohl versuchen, die Person zu unterstützen, statt sie zu verurteilen.

¹ Myhill, D., & Dunkin, F. (2005). Questioning learning. Language and Education, 19(5), 415-427.
https://doi.org/10.1080/09500780508668694.

² Li, J., Miller, A. H., Chopra, S., Ranzato, M. A., & Weston, J. (2016). Learning through Dialogue Interactions by Asking Questions. arXiv e-prints, arXiv-1612.
https://arxiv.org/abs/1612.04936.

³ Vale, R. D. (2013). The value of asking questions. Molecular biology of the cell, 24(6), 680-682.
https://doi.org/10.1091/mbc.e12-09-0660.

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