Ein Großteil der Bevölkerung versucht durch das eigene Handeln andere Personen zufriedenzustellen und geht im Zuge dessen Kompromisse ein, da das eigene Verhalten dann häufig nicht mit den eigenen Ziel- und Wertvorstellungen übereinstimmt. Häufig äußert sich dies in mangelnder Energie und allgemeiner Antriebslosigkeit sowie dem Gefühl des Unwohlseins im eigenen sozialen Umfeld. Menschen sind dann schnell frustriert und unzufrieden mit der eigenen Situation, jedoch ist es nicht leicht, dieser Negativspirale wieder zu entfliehen. Es ist jedoch denkbar, dass dieses Phänomen aus psychologischer Sicht leicht zu erklären ist. Daher soll im Rahmen dieses Blog Posts betrachtet werden, welche psychologischen Bedürfnisse Menschen aufweisen und wie diese sich auf unsere Verhaltensweisen auswirken.
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Ein weiterer motivationstheoretischer Ansatz ist die Selbstbestimmungstheorie (engl. self-determination theory, SDT), die im Wesentlichen durch Edward L. Deci und Richard M. Ryan geprägt wurde. Während ein Großteil der Motivationstheorien lediglich zwischen dem motivierten und dem nicht motivierten Zustand unterscheidet, geht SDT noch einen Schritt weiter und betrachtet auch unterschiedliche Ausprägungen des Motivationszustands. SDT geht zunächst davon aus, dass Menschen drei wesentliche psychologische Bedürfnisse aufweisen, die im Rahmen von intentionalen Handlungen befriedigt werden müssen. Menschen haben das Bedürfnis in ihren eigenen Handlungen und Verhaltensweisen frei zu sein und selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen (autonomy). Zudem streben sie danach, das Gefühl zu haben, dass sie die eigenen Handlungsergebnisse und die damit verbundenen Folgen kontrollieren können (competece). Dieses Kompetenzerleben ermöglicht es Bestleistungen anzustreben und diese auch zu erreichen. Zuletzt ist der Mensch ein soziales Wesen und hat ein Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit bzw. Zugehörigkeit (relatedness). Diese soziale Verbundenheit mit anderen Personen oder Personengruppen äußert sich zum Beispiel in der Fähigkeit, sich um andere Menschen zu sorgen. Werden alle drei Bedürfnisse befriedigt, verbessert dies die Gesundheit, steigert das Wohlbefinden und kann energetisierend wirken.¹ Zudem beruht SDT auf einem leicht veränderten Verständnis von intrinsischer und extrinsischer Motivation. Während intrinsisch motivierte Handlungen ausgeübt werden, weil der Handlung selbst ein Wert zugeschrieben wird, werden extrinsisch motivierte Handlungen aufgrund ihrer Instrumentalität ausgeführt, eine bestimmte Handlungsfolge zu erzielen. Auch wenn die intrinsische Motivation als Prototyp des selbstbestimmten Handelns gilt, und häufig davon ausgegangen wird, dass extrinsische Anreize das Gefühl der Selbstbestimmtheit unterminieren, ist hier festzuhalten, dass die beiden Formen der Motivation in diesem Aspekt nicht als Gegensatzpaar verstanden werden sollten. Eine wichtige Erkenntnis der SDT ist nämlich, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch das extrinsisch motivierte Handeln selbstbestimmt sein kann.²
Der Ansatz der SDT ist so gewählt, dass die Theorie die unterschiedlichen Ausprägungen externer Einflüsse berücksichtigt. Derartige Einflüsse reichen von kontrollierter Motivation bis hin zu autonomer Motivation. Innerhalb dieses Kontinuums werden die externen Einflüsse hinsichtlich der Art der Regulation abgegrenzt. Die stärkste Form der kontrollierten Motivation liegt vor, wenn das Verhalten extern reguliert wird. Eine solche Regulation kann zum Beispiel das Versprechen einer Belohnung oder das Androhen einer Strafe sein. Ein geringeres Niveau an Kontrolle weist die introjizierte Regulation auf. Hier wird das Verhalten nicht durch eine explizite Folge von außen gesteuert, sondern vielmehr durch einen inneren Druck, der aus den äußeren Umständen entsteht. Introjizierte Regulation steuert somit das Verhalten, indem Menschen versuchen, negative Gefühle wie zum Beispiel Schuldgefühle oder Scham aktiv zu vermeiden. Ein autonomer Motivationscharakter kann erreicht werden, wenn die eigenen Verhaltensweisen durch identifizierte oder integrierte Regulation gesteuert werden. Dabei sind insbesondere die individuellen Ziele und die eigenen Wertvorstellungen der handelnden Personen von Bedeutung. Während bei identifizierter Regulation eine Wertschätzung des eigenen Verhaltens ausreichend ist, bedarf es bei der integrierten Regulation der Kohärenz zwischen dem durch externe Einflüsse gesteuerten Verhalten und den eigenen Zielen und Werten. Eine derartige Übereinstimmung steigert den Grad der Autonomität hinsichtlich der Motivation, auch wenn das eigene Verhalten zum Teil über externe Einflüsse reguliert bleibt.³ Folglich können extrinsische Anreize durch Internalisierung und Integration in autonome Motivation überführt werden und das Gefühl der Selbstbestimmtheit fördern. Neben den einzelnen Abstufungen der extrinsischen Motivation wird das Kontinuum der Selbstbestimmtheit zudem noch um die Amotivation (fehlende Motivation) und die intrinsische Motivation ergänzt, welche als höchste Form der autonomen Motivation betrachtet werden kann und immer mit dem Gedanken der Selbstbestimmtheit in Einklang steht.
Dem selbstbestimmten Verhalten wird von vielen Menschen intuitiv ein hoher Wert beigemessen. Auch wenn derartige Wertzuschreibungen häufig unterbewusst stattfinden und vielleicht nicht von jedem selbst erklärt werden können, gibt es eine Vielzahl von wissenschaftlichen Studien, die zu dem Ergebnis gekommen sind, dass die Befriedigung der drei psychologischen Grundbedürfnisse und das Erleben von Selbstbestimmtheit die eigene mentale und physische Gesundheit fördert und das allgemeine Wohlbefinden von Menschen verbessert. Dies könnte insbesondere daran liegen, dass es beim selbstbestimmten Handeln keinerlei Kompromisse bedarf. Das eigene Verhalten stimmt mit den individuellen Wertvorstellungen und Zielsetzungen überein und muss nicht über kontrollierte Motivation von außen gesteuert bzw. beeinflusst werden. Dies reduziert mentalen Stress und vereinfacht konsistentes Handeln. Zudem bilden die psychologischen Bedürfnisse die energetische Grundlage für motivationale Handlungen. Autonome Motivation zeichnet sich im Vergleich zu kontrollierter Motivation durch eine höhere Effizienz aus, die sich in der Praxis insbesondere hinsichtlich des eigenen Durchhaltevermögens und der Problemlösungsfähigkeit beobachten lässt. Die autonome Motivation geht mit einer höheren Zielverbundenheit einher, die dazu führt, dass Menschen bei auftretenden Schwierigkeiten oder Verzögerungen nicht ihr Verhalten ändern, sondern den Zielen verbunden bleiben und gegebenenfalls sogar ihre individuellen Anstrengungen erhöhen. Zuletzt ist hier anzumerken, dass die Förderung des autonomen Handelns es ermöglicht, ein Umfeld zu kreieren, in dem Menschen in der Lage sind, sich selbst nachhaltig zu motivieren.
Die Selbstbestimmtheit ist zudem auch innerhalb von Organisationen bzw. im Arbeitsumfeld von Bedeutung. Organisationen sind in der Lage, die Leistung der Organisationsmitglieder zu erhöhen, wenn sie die nötigen Rahmenbedingungen schaffen, sodass die Beteiligten die drei grundlegenden psychologischen Bedürfnisse befriedigen können. Dabei ist es zunächst wichtig, dass die Mitarbeiter – in ihren jeweiligen Rollen – hinsichtlich ihres Handelns frei Entscheidungen treffen können und dass selbstbestimmtes Verhalten auch durch die Führungskräfte gebilligt wird. Diese können zudem das Kompetenzerleben mit Hilfe von positivem Feedback verstärken, da sie dadurch verdeutlichen, dass die selbstbestimmten Handlungen geeignet waren, um die jeweilige Problemstellung oder Aufgabe zu lösen. Das Bedürfnis aller Beteiligten nach sozialer Eingebundenheit und Zugehörigkeit kann in der Berufswelt befriedigt werden, indem Aufgaben in Gruppen verrichtet werden und die jeweiligen Teammitglieder die Kompetenzen der anderen anerkennen und sie dabei unterstützen, sich weiterzuentwickeln und zu wachsen. Die Schaffung eines autonomiefördernden Umfelds sowie der Abbau von bürokratischen Vorgaben und die Reduktion von Micro-Management durch Vorgesetzte, kann somit die Leistungsfähigkeit ganzer Organisationen nachhaltig verbessern.
Menschen haben ein starkes Bedürfnis nach Autonomie und streben als soziale Wesen nach sozialer Eingebundenheit. Gemeinsam mit dem Kompetenzerleben sind dies die grundlegenden psychologischen Bedürfnisse, die Menschen im Rahmen ihres Handelns befriedigen müssen. Damit es dabei nicht zu widersprüchlichem Verhalten kommt, ist es von Bedeutung, dass das eigene soziale Umfeld Autonomie und Kompetenz fördert und externe Einflüsse nicht die Selbstbestimmtheit unterminieren. Gleiches gilt auch für die Berufswelt und die Zusammenarbeit in Organisationen. In einem Umfeld, in dem Menschen Unterstützung dabei erhalten, ihre psychologischen Bedürfnisse zu befriedigen, sind sie zufriedener, gesünder und produktiver. Andernfalls kann die mangelnde Bedürfnisbefriedigung zu gesundheitlichen Problemen und allgemeinem Unwohlsein führen.
¹ Ryan, R. M., & Deci, E. L. (2000). “Self-determination theory and the facilitation of intrinsic motivation, social development, and well-being”. American Psychologist, 55(1), 68-78.
https://doi.org/10.1037/0003-066X.55.1.68
² Deci, E. L., & Ryan, R. M. (1993). “Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik“. Zeitschrift für Pädagogik, 39(2), 223-238.
³ Gagné, M., & Deci, E. L. (2005). “Self‐determination theory and work motivation”. Journal of Organizational behavior, 26(4), 331-362.
https://doi.org/10.1002/job.322