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Können Web-basierte Lernmethoden das Präsenzlernen vollständig ersetzen?

Veröffentlicht am: Mär 15, 2021

Die Bedeutung und Verwendung von web-basierten Inhalten steigt sowohl im beruflichen Umfeld als auch im Bereich der Bildung kontinuierlich an. Auffällig ist dabei insbesondere das immer größer werdende Angebot an Online-Kursen zur individuellen Weiterbildung und Weiterentwicklung. Durch die steigende Verbreitung und Akzeptanz in der Gesellschaft stellt sich jedoch auch die Frage, ob derartige Inhalte in der Lage sind, klassische Präsenzveranstaltungen vollständig zu ersetzen. Im Rahmen dieses Posts soll betrachtet werden, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit dieser Trend nicht mit einem Qualitätsverlust bezüglich der Lerninhalte einhergeht bzw. welche Vor- und Nachteile sich aus der Verwendung von web-basierten Lerninhalten und Lernmethoden ergeben.

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Der technologische Wandel und die Digitalisierung haben in Verbindung mit dem aktuellen Pandemiegeschehen den Trend, Präsenzveranstaltungen durch Online-Veranstaltungen zu substituieren, signifikant beschleunigt. Dabei ist es wichtig zu betonen, dass Bildungsinstitutionen nicht nur einen Bildungsauftrag besitzen, sondern für viele junge Menschen zudem ein Ort sind, an dem sie ihre sozialen Kompetenzen entwickeln. Der Wandel hin zu web-basierten und technologie-gestützten Methoden und Inhalten muss somit nicht nur dafür geeignet sein, die Qualität der Bildung und des Lernens sicherzustellen, sondern auch um soziale Strukturen zu fördern. Ein zentraler Bestandteil sind dabei die verschiedenen Formen der Interaktion, die sie in der Lage sind, die wahrgenommene Distanz zwischen den Beteiligten zu verringern. Der Begriff der Interaktion ist definiert als:

“an occasion when two or more people or things communicate with or react to each other”¹

Insbesondere Michael G. Moore hat mit seiner Arbeit einen wichtigen Teil dazu beigetragen, die Bedeutung von den verschiedenen Interaktionsformen im Bereich des Fernunterrichts besser zu verstehen. Seine Ansätze wurden von einer Vielzahl an Wissenschaftlern aufgegriffen und im Rahmen verschiedenster Ansätze berücksichtigt. Eine Erkenntnis ist beispielsweise, dass die unterschiedlichen Interaktionsformen unterschiedliche Auswirkungen auf die wahrgenommene Qualität des web-basierten Lernens und die Zufriedenheit mit den web-basierten Methoden haben. Ein hohes Maß an Interaktion zwischen den Lernenden und den lehrenden Personen verbessert die wahrgenommene Qualität des Lernens. Auch die Interaktion zwischen den Lernenden sowie dem zugrundeliegenden Medium bzw. System verbessert die wahrgenommene Qualität und zudem steigert diese Interaktionsform auch die Zufriedenheit seitens der Lernenden.² Ein allgemeiner lerntheoretischer Ansatz, der die Bedeutung von Interaktionen berücksichtigt, ist der Konstruktivismus. Der dabei zugrundeliegende Gedanke ist, dass das Wissen von Lernenden durch Interaktionen mit der Umwelt erzeugt bzw. aufgebaut wird.³

Eine weitere Einflussgröße hinsichtlich der wahrgenommenen Effektivität des Online-Lernens ist die Präsenz. Kyei-Blankson et al. (2019) kommen in ihrer Arbeit zu dem Ergebnis, dass insbesondere die Präsenz der lehrenden Person und die soziale Präsenz einen signifikanten Einfluss auf die Erfahrung von Studierenden mit Online-Kursen haben. Die Präsenz einer lehrenden Person kann dabei sowohl im Vorfeld bei der Entwicklung und dem Aufbau von Lerninhalten sichtbar werden als auch während des Lernens. Letzteres kann beispielsweise durch die Art und Weise der Durchführung oder durch die explizite Unterstützung beim Lernen erfolgen. Die soziale Präsenz orientiert sich mehr am menschlichen Zugehörigkeitsbedürfnis und betont die Bedeutung von Beziehungen zwischen den Lernenden. Dies kann beispielsweise im Rahmen von Gruppenarbeiten explizit gefördert werden oder aus gegenseitiger Hilfestellung unter den Lernenden resultieren.

Die Anzahl an digitalen Bildungsangeboten steigt stetig an und aktuell erscheint es unwahrscheinlich, dass dies nur ein vorrübergehender Trend ist. Stattdessen ist es vorstellbar, dass in der Zukunft das komplette Bildungssystem auf web-basierten und technologie-gestützten Inhalten und Methoden basiert. Die Tatsache, dass dieser Wandel vollzogen wird, resultiert mit Sicherheit auch daraus, dass derartige Inhalte und Methoden in der Praxis eine Vielzahl an Vorteilen aufweisen. Der vielleicht offensichtlichste Grund für die vermehrte Verwendung ist die Ortsunabhängigkeit der Beteiligten, da sie überwiegend nur auf eine Internetverbindung angewiesen sind. Zudem sind digitale Inhalte häufig zeitunabhängig konsumierbar, insbesondere wenn das digitale Lernen nicht in Gruppen stattfindet. Somit können die Lernenden ihr eigenes Lerntempo festlegen und bei Bedarf mithilfe von Aufzeichnungen die Inhalte beliebig oft abspielen bzw. ansehen. Der Einsatz von verschiedenen Softwarelösungen kann neue Wege eröffnen, wie (gemeinsam) Inhalte erarbeitet werden, welche Medien und Inhalte verwendbar sind und wie Prozesse und Strukturen hinsichtlich ihrer Effektivität und Effizienz optimiert werden können.

Auch wenn häufig von den Vorteilen gesprochen wird, ist an dieser Stelle anzumerken, dass das web-basierte Lernen auch Limitationen und Nachteile mit sich bringt. Die physische Distanz zwischen den Beteiligten erschwert beispielsweise klassische Kontrollmechanismen, was insbesondere bei Prüfungen und anderen Tests ein Problem darstellt. Auch die effektive Kommunikation kann mitunter von dieser Distanz negativ beeinflusst werden. In der Praxis ist zudem zu beobachten, dass noch zu häufig technische Probleme auftreten oder die Beteiligten mit den technischen Herausforderungen überfordert sind. Dies ist insbesondere auf der Seite der lehrenden Personen der Fall, da diese häufig noch nicht technisch versiert genug sind bzw. nicht bereit sind, sich die nötigen Fähigkeiten anzueignen. Zuletzt ist hier noch zu berücksichtigen, dass das selbstständige Lernen möglicherweise von der Vielzahl an potentiellen Ablenkungen, die zuhause existieren, unterminiert wird.

Ein relevanter Aspekt, der bei der objektiven Betrachtung der Vor- und Nachteile nicht vergessen werden darf, ist die Individualität der Beteiligten. Nicht alle Menschen lernen auf die gleiche Art und Weise und somit kann auch bei den digitalen Lernangeboten keine perfekte Lösung existieren, die für alle Personen gleich gut geeignet ist. Während beispielsweise am Anfang dieses Posts davon gesprochen wurde, dass die Interaktion zwischen lehrender und lernender Person die wahrgenommene Qualität des Online-Lernens verbessert, ist es genauso gut vorstellbar, dass manche Personen einen eher passiven Lernstil bevorzugen und versuchen, Interaktionen zu vermeiden. Gleiches lässt sich auch über die soziale Präsenz bzw. soziale Eingebundenheit sagen. Digitale Bildungsangebote lassen sich im Vergleich zu Präsenzveranstaltungen jedoch bis zu einem gewissen Grad individualisieren, sodass hierbei einfacher auf die individuellen Wünsche, Bedürfnisse und Präferenzen eingegangen werden kann.

Der Wandel hin zu web-basierten und technologie-gestützten Lerninhalten und -methoden scheint unaufhaltsam und es kann nicht geleugnet werden, dass dies mit einer Vielzahl an Vorteilen und potentiellen Chancen einhergeht, von denen die gesamte Gesellschaft profitieren kann. Jedoch sind die derartigen Alternativen (noch) nicht so weit ausgereift, dass sie das existierende Bildungssystem vollständig ersetzen können. Es ist jedoch denkbar, dass dieser Punkt in der Zukunft erreicht werden kann. Damit ein effektives Lernen im digitalen Zeitalter möglich ist, müssen jedoch auch gewisse Anforderungen erfüllt sein. Es ist unwahrscheinlich, dass bestehende Bildungsstrukturen 1:1 in digitale Inhalte überführt werden können, ohne dass die Qualität darunter leidet, aber es ist vorstellbar, dass mithilfe von kreativen und innovativen Ansätzen ein neuer, verbesserter Bildungsapparat erschaffen werden kann.

¹ Cambridge Dictionary. N.d. “INTERACTION | definition in the Cambridge English Dictionary.” Cambridge Dictionary. Accessed March 15, 2021. https://dictionary.cambridge.org/us/dictionary/english/interaction.

² Arbaugh, J. B., & Benbunan-Fich, R. (2007). The importance of participant interaction in online environments. Decision support systems, 43(3), 853-865. https://doi.org/10.1016/j.dss.2006.12.013.

³ Su, B., Bonk, C. J., Magjuka, R. J., Liu, X., & Lee, S. H. (2005). The importance of interaction in web-based education: A program-level case study of online MBA courses. Journal of Interactive Online Learning, 4(1), 1-19. https://www.learntechlib.org/p/161516/.

⁴ Kyei-Blankson, L., Ntuli, E., & Donnelly, H. (2019). Establishing the importance of interaction and presence to student learning in online environments. Journal of Interactive Learning Research, 30(4), 539-560. https://www.learntechlib.org/primary/p/161956/.

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