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Stimmt es, dass Zahlungen mit Bargeld unser Kaufverhalten verändern?

Veröffentlicht am: Aug 30, 2021

Die Bedeutung von Bargeld als zentrales Zahlungsmittel nimmt kontinuierlich ab und unsere Gesellschaft bewegt sich langsam in Richtung einer „cashless economy“. Aber auch die Kartenzahlungen werden vermehrt durch neue Zahlungsformen ersetzt. Mobiles Bezahlen – z.B. mit dem Smartphone – und Online-Zahlungen sind mittlerweile weit verbreitet. Ein wichtiger Faktor für dieses Phänomen ist mit Sicherheit die steigende Bedeutung des Online-Handels. Viele Käufe werden nicht mehr in einem physischen Geschäft getätigt, sondern online und häufig besteht gar keine Möglichkeit, für diese Käufe mit Bargeld zu zahlen. Immer wieder hört man jedoch Stimmen, die behaupten, dass Menschen bei Zahlungen mit der Karte mehr Geld ausgeben als bei Zahlungen mit Bargeld. Es stellt sich somit die Frage, ob die Bezahlung mit Bargeld tatsächlich einen Einfluss auf unser Kaufverhalten hat. Im Rahmen dieses Posts soll betrachtet werden, welche psychologischen Besonderheiten die verschiedenen Zahlungsformen aufweisen, wie sich die Wahl des Zahlungsmittels auf unseren Alltag auswirkt und ob es für die Gesellschaft sinnvoll ist, eine cashless economy anzustreben.

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Bei der Betrachtung von Zahlungen muss berücksichtigt werden, dass Individuen bei einem Kauf nicht nur monetäre Kosten in Kauf nehmen, sondern auch psychologische Kosten. Dieses Konzept wird als „pain of payment“ bezeichnet und das Ausmaß bestimmt sich maßgeblich darüber, wie greifbar eine Zahlung ist. Bei der Differenzierung verschiedener Zahlungsmöglichkeiten ist der Grad der Transparenz ein zentraler Faktor. Während Zahlungen mit Bargeld äußerst transparent sind, weisen Kartenzahlungen beispielsweise einen deutlich geringeren Grad an Transparenz auf. Bei einem Kauf mittels Bargeldes erfolgt die Zahlung unmittelbar und der Prozess ist für Außenstehende weitestgehend transparent, sodass der Bezahlvorgang hier eine größere Hürde darstellt als bei anderen Zahlungsmitteln. Kreditkarten trennen beispielsweise den Kaufzeitpunkt von dem Zeitpunkt, an dem der Abfluss der eigenen finanziellen Mittel sichtbar wird (z.B. am Monatsende). Immer wenn eine Kaufentscheidung getroffen wird, müssen Individuen somit die Vorteile und Nachteile des Kaufs abwiegen und bei hoher „pain of payment“ sind die zu berücksichtigenden Kosten höher (Nachteil). Eine transparente Zahlungsmethode kann sich somit negativ auf die Kaufbereitschaft auswirken, wohingegen weniger greifbare Zahlungsmittel eher als eine Art „Monopoly-Geld“ angesehen und leichter ausgegeben werden.¹ Prelec & Simester (2001) haben dieses Phänomen empirisch untersucht und mit Hilfe ihrer Studien bestätigt, dass die Zahlungsbereitschaft bei Kartenzahlungen tatsächlich höher ist als bei Bargeldzahlungen. Bei der Zahlung mit einer Kreditkarte sind die Probanden bereit, ein signifikantes Premium zu zahlen – ohne sich dessen bewusst zu sein. Die Autoren vermuten, dass diese Beobachtung aus den verschiedenen Ausgangslagen resultiert. Es könnte sein, dass Individuen, die mit Bargeld zahlen, ihre Zahlungsbereitschaft an der Summe, die sie bei sich tragen, ausrichten, wohingegen sie bei der Zahlung mit einer Kreditkarte den Kreditrahmen als Ankerpunkt heranziehen. Die Ergebnisse der Studien zeigen jedoch auch, dass ein signifikantes Premium, das nicht mit der Bequemlichkeit der Kartenzahlung allein erklärt werden kann, insbesondere dann vorliegt, wenn der tatsächliche Wert eines Produktes unbekannt ist.²

Diese Erkenntnisse sind nicht nur im Rahmen Wissenschaft interessant, sondern haben auch Auswirkungen auf unseren Alltag. Thomas et al. (2011) haben im Rahmen ihrer Arbeit bestätigt, dass Menschen, die mit der Karte zahlen, häufiger ungesunde Lebensmittel einkaufen und konsumieren als Menschen, die mit Bargeld zahlen. Die Höhe der psychologischen Kosten, die mit einem Kauf und der Zahlung verbunden sind, sind abhängig davon, ob eine Entscheidung impulsiv oder vorsätzlich getroffen wird, sodass ein höherer „pain of payment“ impulsives Kaufverhalten eindämmen kann. Da das spontane Verlangen nach ungesunden Lebensmitteln häufig zu impulsiven Kaufabsichten führt, sind Menschen, die mit der Karte zahlen, anfälliger, diesem Verlangen nachzugehen.³ Jedoch kann nicht nur ein Teil des Problems der falschen Ernährung mit unserem Zahlungsverhalten erklärt werden. Möglicherweise bietet die Veränderung in der Art wie wir bezahlen auch einen Ansatz, um aufzuzeigen, wieso wir so viel Abfall produzieren. Wenn Individuen eine schmerzhafte Entscheidung treffen, messen sie dem aus der Entscheidung resultierenden Ergebnis einen höheren Wert bei. Sofern vor der Entscheidung mehrere Alternativen vorlagen, gegenüber denen die entscheidende Person indifferent war, führt eine schmerzhafte Entscheidung dazu, dass Individuen sich ihrer gewählten Alternative anschließend stärker verbunden fühlen. Zudem erhöht die schmerzhafte Entscheidung die Attraktivität der gewählten Alternative und senkt die Attraktivität der nicht gewählten. Eine Veränderung des Zahlungsverhaltens, die zu einer Reduktion der „pain of payment“ im Kaufprozess führt, resultiert somit in weniger Verbundenheit zu den erworbenen Produkten und ihren Herstellern. Wenn Individuen häufiger mit der Karte zahlen, führt dies unter Umständen nicht nur dazu, dass sie zu viel Geld ausgeben, sondern auch dazu, dass mehr Abfall generiert wird, da man sich leichter und schneller von Produkten trennt, denen man sich nicht verbunden fühlt.

Wenn man die obengenannten Konsequenzen von Kartenzahlungen für unsere Gesellschaft betrachtet, muss man die berechtigte Frage stellen, ob eine „cashless economy“ überhaupt erstrebenswert ist. Gleichzeitig sollte jedoch auch hinterfragt werden, ob die kontinuierlich steigende Anzahl an bargeldlosen Zahlungen nicht auch dazu geführt hat, dass die oben beschriebenen Konzepte nicht länger so signifikante Auswirkungen auf unser Leben haben, wie zum Zeitpunkt ihrer Entwicklung. Man könnte argumentieren, dass insbesondere Neobanken einen signifikanten Beitrag geleistet haben, um die Art wie wir Zahlungen realisieren übersichtlicher zu gestalten. Die steigende Verbreitung von Online-Banking und Mobile-Banking führt dazu, dass auch bei Kartenzahlungen der Abfluss der eigenen finanziellen Mittel unmittelbar sichtbar wird, sodass zumindest die zeitliche Abgrenzung zwischen Kauf und Sichtbarkeit der Zahlung nicht länger als starkes Argument herangezogen werden sollte. Statt sich dem technologischen Fortschritt entgegenzustellen und die steigende Verbreitung von Kartenzahlungen einzuschränken, um Konsumenten zu schützen, könnten politische Entscheidungsträger Rahmenbedingungen schaffen, die Individuen dabei unterstützen, bewusstere finanzielle Entscheidungen zu treffen. Insbesondere für die jüngeren Generationen ist Bargeld nicht das zentrale Zahlungsmittel, da sie in der Zeit von Online-Banking und Mobile-Banking aufgewachsen sind. Ein denkbarer Ansatz wäre es somit, dass diese Generationen im Rahmen der finanziellen Bildung auf die potentiellen Gefahren von bargeldlosen Zahlungen hingewiesen werden und effektive Unterstützung erhalten, um zu lernen, wie man seine finanziellen Ressourcen sinnvoll budgetiert und verantwortungsbewusst mit ihnen umgeht.

Es stimmt tatsächlich, dass die Zahlungsmethode das individuelle Kaufverhalten beeinflusst, auch wenn unklar ist, wie stark genau der Einfluss in der Praxis ist. Dieser Einfluss resultiert im Wesentlichen aus den psychologischen Kosten – auch als „pain of payment“ bezeichnet – die mit dem Zahlungsprozess verbunden sind. Je greifbarer eine Zahlung, umso höher sind die damit verbundenen psychologischen Kosten. Die kontinuierlich steigende Verbreitung von bargeldlosen Transaktionen reduziert diese Kosten und kann dazu führen, dass Individuen schlechtere Kaufentscheidungen treffen. Auch gesamtgesellschaftliche Probleme wie falsche Ernährung und immer mehr Abfall lassen sich zumindest teilweise mit Hilfe dieses Phänomens erklären. Da die Einschränkung des technologischen Fortschritts im Finanzbereich eher unrealistisch erscheint, sollten politische Entscheidungsträger dazu beitragen, dass die Bevölkerung über potentielle Gefahren bei der Kartenzahlung aufgeklärt und in Bezug auf die finanzielle Bildung ausreichend unterstützt wird.

¹ Raghubir, P., & Srivastava, J. (2008). Monopoly money: The effect of payment coupling and form on spending behavior. Journal of experimental psychology: Applied, 14(3), 213-225.
https://doi.org/10.1037/1076-898X.14.3.213.

² Prelec, D., & Simester, D. (2001). Always leave home without it: A further investigation of the credit-card effect on willingness to pay. Marketing letters, 12(1), 5-12.
https://doi.org/10.1023/A:1008196717017.

³ Thomas, M., Desai, K. K., & Seenivasan, S. (2011). How credit card payments increase unhealthy food purchases: Visceral regulation of vices. Journal of Consumer Research, 38(1), 126-139.
https://doi.org/10.1086/657331.

⁴ Shah, A. M., Eisenkraft, N., Bettman, J. R., & Chartrand, T. L. (2016). “Paper or plastic?”: How we pay influences post-transaction connection. Journal of Consumer Research, 42(5), 688-708.
https://doi.org/10.1093/jcr/ucv056.

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