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Welche Folgen hat Gamification für private Investoren?

Veröffentlicht am: Jun 21, 2021

Immer mehr Menschen partizipieren an den Kapitalmärkten und statt fundierte Investmententscheidungen zu treffen, spekulieren sie dabei häufig mit ihren Ersparnissen. Trading Apps und andere vergleichbare Plattformen verstärken diesen Trend, da sie die Komplexität des Investierens reduzieren und nahezu jedem Menschen die Möglichkeit geben, auch riskante Assets zu handeln. Die Vereinfachung führt dazu, dass immer häufiger Individuen investieren, die keine oder nur unzureichende Fachkenntnisse besitzen. Die Apps und Plattformen sind dabei immer häufiger darauf ausgelegt, eine möglichst optimale Nutzererfahrung zu bieten und den Investmentprozess so reibungslos wie möglich zu gestalten. Neue Kunden werden dann über spielerisches Handeln an die eigene Plattform gebunden. Es stellt sich somit die Frage, welche Konsequenzen Gamification von Finanzdienstleistungen für private Anleger mit sich bringt. Im Rahmen dieses Posts soll betrachtet werden, was unter Gamification verstanden wird, wie sich dieser Trend auf neue Anleger auswirkt und welche potentiellen Gefahren damit einhergehen.

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Der Begriff Gamification ist zwar noch relativ jung, aber trotzdem ist dessen Verwendung in der Praxis zum Teil schon sehr umstritten. Es existieren viele Begriffe, die ähnliche Konstrukte beschreiben und teilweise als Synonym verwendet werden. Eine Definition, die in der Literatur jedoch häufig zitiert wird, ist die von Deterding et al. (2011). Die Autoren definieren Gamification wie folgt:

“Gamification is the use of game design elements in non-game contexts.”¹

Designelemente, die normalerweise im Rahmen von Spielen, die der Unterhaltung dienen, verwendet werden, finden somit auch Anwendung in anderen Bereichen des Alltags. Wichtig ist dabei die Abgrenzung der Autoren, dass sich Gamification immer auf regulierte Spiele bezieht, die klaren Regeln folgen. Derartige Elemente werden somit in entsprechenden Aktivitäten implementiert, die klassischerweise nicht als Entertainment angesehen werden.²

Gamification erfolgt bereits in verschiedenen Branchen. Ein Beispiel für den weit fortgeschrittenen Einsatz solcher Designelemente ist der Gesundheitsbereich, wo sie in diversen Apps und Fitness-Gadgets Anwendung finden. Im Vergleich dazu steht der Finanzsektor noch am Anfang, wobei sich der Trend in den letzten Jahren stark beschleunigt hat. Insbesondere Trading Plattformen nutzen Gamification, um neue Kunden zu gewinnen und vereinfachen das Trading so signifikant, dass prinzipiell jeder Mensch die Möglichkeit hat, über die entsprechenden Plattformen am Kapitalmarkt zu partizipieren. Die Vereinfachung führt jedoch auch dazu, dass häufiger impulsive Entscheidungen getroffen werden, die in der Regel nicht ausreichend durchdacht sind. Dennoch hört man auch viele positive Argumente, die für die aktuelle Entwicklung sprechen. Finanzdienstleister sehen sich mit einem wandelnden Kundenbild konfrontiert und müssen ihr Leistungsangebot an die Wünsche und Bedürfnisse der neuen Kunden anpassen. Dies gilt insbesondere für etablierte Organisationen, da diese sonst Gefahr laufen, ihre Position an aufstrebende FinTech Organisationen zu verlieren. Millenials und andere junge Erwachsene erwerben inzwischen signifikantes Vermögen, das sie zu einer relevanten Investorengruppe heranwachsen lässt. Ihr Streben nach Freiheit und Unabhängigkeit wirkt sich auch auf finanzielle Entscheidungen aus und Finanzdienstleister versuchen, sie über attraktive Interfaces und eine einfache Handhabung anzusprechen. Da Unterhaltung und kurzfristige Belohnungen gegenüber harter Arbeit präferiert werden, setzen die Dienstleister vermehrt auch auf spieltypische Features, um die neuen Kunden zu binden. Der Vergleich mit anderen über beispielsweise Leaderboards führt zu einer Art Wettbewerb und Belohnungen für Fortschritte resultieren in einem Streben nach dem nächsten Erfolg.³

Die Tatsache, dass immer mehr Menschen Zugang zu den Kapitalmärkten haben, resultiert auch daraus, dass Trading Plattformen und entsprechende Apps durch ihr Design die Komplexität des Investierens reduzieren. Die Vereinfachung und Komplexitätsreduktion eines komplexen Bereichs führen jedoch auch dazu, dass immer mehr private Anleger unüberlegte Entscheidungen treffen. Das Design der Plattformen verändert die Art wie Anleger investieren und viele Investmententscheidungen weisen schon einen eher wettartigen Charakter auf. Die Betroffenen Personen treffen heuristische Entscheidungen, da sie nur über begrenzte Informationen verfügen bzw. im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung nicht alle zur Verfügung stehenden Informationen berücksichtigen. Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn die Anleger auch mit komplexen und spekulativen Assets wie beispielsweise Optionen und Zertifikaten handeln, ohne diese tatsächlich zu verstehen. Chaudhry & Kulkarni (2021) haben daher einen Leitfaden entwickelt, wie Organisationen entsprechende Plattformen für die breite Masse an Investoren designen könnten, ohne dass die Gefahr unzureichender Kenntnisse auf Seiten der privaten Anleger zu hoch ist.⁴

Die Gamification von Finanzdienstleistungen könnte jedoch auch von den Dienstleistern ausgenutzt werden, um die privaten Anleger bewusst zu manipulieren. Auch wenn derartige Plattformen häufig damit werben, dass für den Kunden keine direkten Kosten aus dem Handel mit Finanzprodukten entstehen, müssen die Organisationen in irgendeiner Form ihre Leistungen monetarisieren. Wenn dies über Leihgebühren oder ähnliches erfolgt, wäre es auch denkbar, dass hier ein Anreiz für die Anbieter besteht, neue Investoren möglichst schnell an spekulative Assets heranzuführen. Wenn der Investmentprozess als eine Art Spiel aufgebaut ist und die Komplexität ausreichend reduziert wird, könnte dies den Organisationen möglicherweise dabei helfen. Wenn unerfahrene Anleger aufgrund der unzureichenden Kenntnisse signifikante Verluste erleiden, kann dies zudem in potentiell existenzbedrohenden Konsequenzen resultieren. In der Vergangenheit gab es unglücklicherweise schon häufiger derartige Szenarien, die zum Teil sogar in lebensbedrohlichen Situationen geendet sind.

Wenn die Anbieter von Trading Plattformen sich jedoch ihrer Verantwortung bewusst sind und Gamification bewusst einsetzen, könnte dies die finanzielle Bildung der Nutzer begünstigen. Spieltypische Elemente werden auch in anderen Zweigen der Bildung erfolgreich eingesetzt und es ist denkbar, dass auch der Einsatz im Rahmen von Finanzdienstleistungen erfolgsversprechend sein könnte. Interaktionen mit anderen Nutzern könnten so beispielsweise dazu führen, dass sich die Anleger neues Wissen aneignen und relevante Kompetenzen aufbauen. Auch Simulationen, die in diversen Apps im Rahmen von beispielsweise Demo-Kontos bereits eingesetzt werden, könnten den individuellen Lernprozess fördern und die Nutzer dabei unterstützen, ein Mindestmaß an relevantem Fachwissen zu erwerben, bevor sie ihr eigenes Kapital einsetzen. Gamification könnte somit eingesetzt werden, um den Lernprozess interaktiv und interessant zu gestalten, sodass ein größerer Anteil der neuen Nutzer fundierte Investmententscheidungen treffen könnte. Der verantwortungsbewusste Einsatz von Gamification seitens der Finanzdienstleister könnte die viel zitierte „Demokratisierung der Finanzmärkte“ somit tatsächlich begünstigen, indem Individuen der Zugang zu Finanzdienstleistungen vereinfacht wird und diese beim benötigten Kompetenzerwerb unterstützt werden.

Gamification im Finanzsektor ist ein polarisierendes Thema, dass immer stärker in den Vordergrund rückt. Auf der einen Seite können spieltypische Elemente den Lernprozess der neuen Anleger unterstützen, auf der anderen Seite können derartige Elemente von den Plattform Anbietern auch zur bewussten Manipulation eingesetzt werden. Ausschlaggebend dabei ist immer der verantwortungsbewusste Einsatz seitens der Finanzdienstleister. Wenn diese das Wohl der privaten Anleger im Blick haben und nicht nur vom eigenen Profit angetrieben werden, profitieren davon möglicherweise alle Beteiligten. Der aktuelle Trend der spielerischen Umsetzung von Investmententscheidungen wird sich voraussichtlich nicht verlangsamen und die Dienstleister sehen sich in den kommenden Jahren mit einem wandelnden Kundenbild konfrontiert, sodass zu erwarten ist, dass Gamification immer stärker Einzug in Finanzdienstleistungen finden wird, um die Wünsche und Bedürfnisse der neuen Kunden zu befriedigen. Wenn etablierte Dienstleister diesen Trend verspassen, droht ihnen potentiell der Verlust ihrer eigenen Marktposition an aufstrebende FinTech Organisationen.

¹ Deterding, S., Dixon, D., Khaled, R., & Nacke, L. (2011, September). From game design elements to gamefulness: defining” gamification”. In Proceedings of the 15th international academic MindTrek conference: Envisioning future media environments. Page 10.
https://doi.org/10.1145/2181037.2181040.

² Deterding, S., Dixon, D., Khaled, R., & Nacke, L. (2011, September). From game design elements to gamefulness: defining” gamification”. In Proceedings of the 15th international academic MindTrek conference: Envisioning future media environments. 9-15.
https://doi.org/10.1145/2181037.2181040.

³ van der Heide, A., & Želinský, D. (2021). ‘Level up your money game’: an analysis of gamification discourse in financial services. Journal of Cultural Economy, 1-21.
https://doi.org/10.1080/17530350.2021.1882537.

⁴ Chaudhry, S., & Kulkarni, C. (2021). Design Patterns of Trading Apps and Their Effects on Investing Behaviors. In Proceedings of Design of Interactive Systems (DIS). (pre-print – viewed on 20.06.2021). ACM, New York, NY, USA, 1-18.

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