Viele Menschen haben ambitionierte Ziele, sind aber nicht in der Lage, ihr Verhalten langfristig derartig anzupassen, dass sie diese Ziele auch erreichen. Immer wieder hört man, dass Routinen und Gewohnheiten eine wesentliche Rolle spielen, wenn es darum geht, warum bestimmte Menschen erfolgreich sind und andere nicht. Individuen, die neue Vorsätze formulieren, geben jedoch häufig auf, bevor ihr Verhalten gewohnheitsmäßig wird, oder orientieren sich zu stark an anderen Personen, statt individuelle Handlungsmuster zu kreieren. Zudem fällt es vielen schwer, schlechte Angewohnheiten abzulegen und/oder durch neue, wünschenswerte Gewohnheiten zu ersetzen. Es stellt sich somit die Frage, inwieweit Gewohnheiten sich auf das Erreichen von anspruchsvollen Zielen auswirken. Im Rahmen dieses Posts soll betrachtet werden, wie Gewohnheiten entstehen, warum dies in Praxis häufig schwerfällt und wie Gewohnheiten sich auf das eigene Verhalten und den individuellen Erfolg auswirken.
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Bevor untersucht werden kann, wie sich Angewohnheiten auf die Zielerreichung auswirken, ist es sinnvoll, zu betrachten, was Gewohnheiten sind. Das Cambridge Dictionary definiert eine Angewohnheit als
“something that you do often and regularly, sometimes without knowing that you are doing it”.¹
Insbesondere die Erkenntnis, dass Handlungen zum Teil unbewusst ausgeführt werden, ist wichtig für das Verständnis, wie sich Gewohnheiten auf das eigene Verhalten auswirken. Gewohnheiten entstehen in der Regel immer dann, wenn Individuen in ihrem alltäglichen Leben Ziele verfolgen. Wenn eine Reaktion auf einen spezifischen Stimulus folgt, entsteht eine gedankliche Verbindung zwischen Kontext und Reaktion, die sich durch Wiederholungen immer weiter festigt. Nach einer signifikanten Anzahl an Wiederholungen entsteht eine Automatisierung, die den Grad an Selbstkontrolle, der zur Zielerreichung notwendig ist, verringert. Weniger Selbstkontrolle bedeutet in diesem Kontext, dass Individuen mehr mentale Leistungsfähigkeit für andere Handlungen zur Verfügung haben. Adäquate Gewohnheiten können sich somit positiv auf das Erreichen von anspruchsvollen Zielen auswirken. Die Veränderung von bereits existierenden Angewohnheiten ist jedoch schwierig und der bewusste Einsatz von Anreizen ist – wenn überhaupt – nur kurzfristig hilfreich. Eine derartige Anpassung fällt am leichtesten, wenn sich auch die eigene Umwelt verändert. Dies resultiert daraus, dass eine Veränderung der Umwelt auch die Hinweise modifizieren, die die Grundlage für automatisiertes Verhalten bilden. Der allgemeine Einfluss der Umwelt auf individuelle Angewohnheiten ist signifikant und die Bildung von Gewohnheiten kann sowohl durch das bewusste Handeln einer Person als auch durch relevante Kontextfaktoren angetrieben werden.²
Angewohnheiten entstehen jedoch nicht über Nacht, sondern sind das Ergebnis eines langwierigen Prozesses. Lally et al. (2010) haben in ihrer Arbeit untersucht, wie Gewohnheiten in der realen Welt entstehen und schlagen vor, dass der Automatisierungsprozess sich eher durch ein asymptotisches Verhalten klassifizieren lässt als durch einen linearen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Wiederholungen und dem Grad der Automatisierung. Je häufiger Individuen ihr Verhalten in vergleichbaren Situationen wiederholen, umso stärker wird die Verbindung zwischen Hinweis und Reaktion, die die Grundlage für automatisierte Handlungen darstellt. Unter der Annahme einer asymptotischen Entwicklung bei der Bildung von neuen Gewohnheiten liegt der Fokus insbesondere auf den frühen Wiederholungen. Diese fallen stärker ins Gewicht als diejenigen, die schon auf einer teilweisen Automatisierung aufbauen. Auch wenn die Bedeutung der ersten Reaktionen auf bestimmte Kontext-Hinweise somit besonders hoch ist, sind die negativen Konsequenzen von verpassten Möglichkeiten weniger signifikant, als man vielleicht vermuten würde. Konstantes Verhalten ist zwar wichtig, vereinzelte Abweichungen führen jedoch nicht dazu, dass die Entstehung von wünschenswerten Gewohnheiten gänzlich ausbleibt. Die Autoren weisen zudem auch darauf hin, dass die Automatisierung in komplexen Situationen schwerer fällt und gewohnheitsmäßiges Handeln unter derartigen Umständen möglicherweise gar nicht erreicht werden kann.³
Die Kraft der Gewohnheit scheint nicht in der Handlung selbst zu liegen, sondern vielmehr in der Tatsache, dass die Automatisierung zu einer höheren Leistungsfähigkeit führt. Die mentale Leistung, die durch unbewusste Handlungen gespart wird, kann an anderer Stelle eingesetzt werden, um ambitioniertere Ziele zu verfolgen und zu erreichen. Individuen, die versuchen, Angewohnheiten und Routinen zu kreieren, sollten sich bewusst sein, dass es immer einer gewissen Zeit bedarf, bis der Automatisierungsprozess so weit vorangeschritten ist, dass daraus tatsächlich Vorteile entstehen. Denkbar wäre es, dass man diesen Prozess beschleunigen kann, indem man versucht, ein konstantes Umfeld zu generieren. Wenn vergleichbare Situationen geschaffen werden, fällt es wahrscheinlich leichter, die gedanklichen Verbindungen zwischen Hinweis und Reaktion auszubilden. Auch die Tatsache, dass es leichter fällt, neue Angewohnheiten zu entwickeln, wenn sich die eigene Umwelt signifikant verändert, weist potentiell wichtige Implikationen auf. Veränderungen wie beispielweise ein Umzug, Berufswechsel oder auch der Beginn eines Studiums können für Individuen, die den Vorsatz haben, neue Routinen und Angewohnheiten zu etablieren, als eine Art Kickstarter fungieren.
Auch wenn Gewohnheiten in der Lage sind, die Zielerreichung zu begünstigen, können sie sich auch negativ auf das eigene Leben auswirken. Nahezu jeder Mensch hat schlechte Angewohnheiten, die den Alltag mehr oder weniger stark beeinflussen. Häufig ist den Betroffenen sogar bewusst, dass sich ihr Handeln langfristig negativ auswirkt, jedoch sind schlechte Angewohnheiten häufig mit kurzfristigen Belohnungen verknüpft. Es lässt sich zumindest vermuten, dass diese positiven Erfahrungen die negativen Konsequenzen überdecken, sodass Individuen ihrem Verlangen nachgeben und Opfer ihrer Gewohnheit werden. In einer hoch dynamischen Umwelt stellt sich jedoch auch die Frage, ob Gewohnheiten überhaupt wünschenswert sein sollten. Besonders im Berufsleben fordern immer mehr Arbeitgeber Flexibilität und Adaptionsfähigkeit von ihren Mitarbeitern. Es ließe sich argumentieren, dass die Automatisierung von Handlungen diesen Anforderungen widerspricht. Andererseits sollte der Fokus bei der Entwicklung neuer Gewohnheiten eher auf einfachen, repetitiven Aktivitäten liegen, die sich nicht oder nur sehr wenig verändern. Wenn diese Handlungen automatisiert werden, ist davon auszugehen, dass die Leistungsfähigkeit der Individuen gesteigert werden kann und die zusätzlichen mentalen Kapazitäten, die dadurch frei werden, relevante Fähigkeiten wie beispielsweise die Problemlösungskompetenz begünstigen.
Die Aussage, dass Gewohnheiten das Erreichen von anspruchsvollen Zielen unterstützen, ist korrekt, aber der Grund dafür ist komplexer, als man vielleicht vermuten würde. Nicht die Gewohnheit, sondern die automatisierte Reaktion auf einen bestimmten Kontext-Hinweis, fördert die individuelle Leistungsfähigkeit. Es sollte somit erstrebenswert sein, gute Angewohnheiten zu kreieren und schlechte Angewohnheiten zu ersetzen. Individuen sollten sich dabei jedoch immer bewusst sein, dass dies mit einem hohen Zeitaufwand verbunden ist und Geduld voraussetzt. Mit steigender Wiederholungsanzahl resultiert konsistentes Verhalten bei vergleichbaren Situationen in einem höheren Grad der Automatisierung, der es ermöglicht, dass bestimmte Handlungen unbewusst realisiert werden, sofern die entsprechenden Hinweise wahrgenommen werden. Auch wenn Konstanz mit Sicherheit eine wichtige Rolle spielt, sollten Individuen sich nicht beirren lassen, wenn sie eine Möglichkeit zur Realisierung einer angemessenen Reaktion verpassen. Wenn dies nur in seltenen Fällen vorkommt, wird die Entwicklung von wünschenswerten Gewohnheiten dadurch nicht nachhaltig negativ beeinflusst.
¹ Cambridge Dictionary. N.d. “HABIT | definition in the Cambridge English Dictionary.” Cambridge Dictionary. Accessed September 06, 2021.
https://dictionary.cambridge.org/dictionary/english/habit.
² Carden, L., & Wood, W. (2018). Habit formation and change. Current Opinion in Behavioral Sciences, 20, 117-122.
https://doi.org/10.1016/j.cobeha.2017.12.009.
³ Lally, P., Van Jaarsveld, C. H., Potts, H. W., & Wardle, J. (2010). How are habits formed: Modelling habit formation in the real world. European Journal of Social Psychology, 40(6), 998-1009.
https://doi.org/10.1002/ejsp.674.