Ein zentrales Problem innerhalb unserer Gesellschaft ist es, dass viele Menschen nicht bereit sind, ihre Komfortzone zu verlassen, sondern nach immer mehr Bequemlichkeit streben. Jeder Mensch sieht sich jedoch irgendwann mit Herausforderungen konfrontiert, die er bewerkstelligen muss. Zudem führt die dynamische Umwelt, in der wir uns bewegen, dazu, dass neue potentielle Herausforderungen auftreten und wir uns kontinuierlich anpassen und weiterentwickeln müssen. Häufig werden derartige Veränderungen durch externe Anreize initiiert, die sich darauf auswirken, wie wir uns im privaten und beruflichen Alltag verhalten. Diese Anreize reichen allein jedoch häufig nicht aus, um eine (nachhaltige) Verhaltensänderung herbeizuführen. Es stellt sich somit die Frage, warum Menschen Herausforderungen vermeiden, und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit ambitioniertere Ziele verfolgt werden, ohne dass es extrinsischer Anreize bedarf. Im Rahmen dieses Posts soll betrachtet werden, welchen Einfluss die Selbstwirksamkeit auf die individuelle Handlungsbereitschaft hat, wie Menschen von herausfordernden Tätigkeiten profitieren können und welche Schwierigkeiten dabei zu erwarten sind.
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Ein viel diskutierter Ansatz ist die Berücksichtigung von Selbstwirksamkeitserwartungen (self- efficacy), die ihren Ursprung in der Psychologie hat und deren Anwendung auf eine Vielzahl an weiteren Bereichen ausgedehnt wurde. Der Begriff wurde durch den kanadischen Psychologen Albert Bandura geprägt, der ihn wie folgt definiert:
“Perceived self-efficacy is defined as people’s beliefs about their capabilities to produce designated levels of performance that exercise influence over events that affect their lives. Self-efficacy beliefs determine how people feel, think, motivate themselves and behave.”¹
Vorweg ist anzumerken, dass die Selbstwirksamkeitserwartungen insbesondere bei der Erklärung, warum Menschen schwierige bzw. herausfordernde Handlungen vermeiden, eine signifikante Rolle spielen, in Bezug auf einfache, repetitive Aktivitäten jedoch nur bedingt aussagekräftig sind. Zunächst wird an dieser Stelle unterstellt, dass die Erwartung, dass eine bestimmte Handlung zu dem gewünschten Ergebnis bzw. der gewünschten Handlungsfolge führt, nicht ausreichend ist, um zu erklären, warum Menschen bestimmte Handlungen ausführen. Vielmehr bedarf es der individuellen Überzeugung, dass man selbst in der Lage ist, diese auch adäquat auszuführen. Die derartige Überzeugung der Selbstwirksamkeit ist notwendig, damit Individuen eine Handlung realisieren. Neben der Entscheidung, eine Handlung aufzunehmen, wirkt sich die individuelle Selbstwirksamkeitserwartung auch darauf aus, wie eine Person mit eventuellen Schwierigkeiten umgeht, die im Rahmen der Ausführung auftreten. Eine hohe Selbstwirksamkeitsüberzeugung führt zu höheren Anstrengungen und einer höheren Bereitschaft, mit zusätzlichen Herausforderungen umzugehen, was wiederum zu einer besseren Leistung führen könnte.² Die Aussagekraft von Selbstwirksamkeitserwartungen für zukünftige Handlungen bzw. Handlungsergebnisse wurde und wird jedoch immer wieder kritisiert. Bandura & Locke (2003) haben derartige Kritik unter Berücksichtigung einer Vielzahl von Meta-Studien adressiert und den signifikanten Einfluss von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen auf die Leistung und Motivation bestätigt. Dabei ist die bestätigte Aussagekraft unabhängig davon, ob vergangene, individuelle Leistungen explizit berücksichtigt werden oder nicht.³
Eine zentrale Rolle in Bezug auf die Selbstwirksamkeit von Individuen spielen die Anreize, mit denen sich Menschen im Alltag konfrontiert sehen. Auch wenn extrinsische Anreize häufig (zu Recht) kritisiert werden, können sie sich positiv auf die Selbstwirksamkeitserwartungen auswirken. Wichtig ist dabei, dass die Anreize auf ein hohes Leistungsniveau und das individuelle Kompetenzerleben ausgerichtet sind. Wenn durch derartige Anreize die Kompetenz des Handelnden belohnt wird, führt dies zu einer erhöhten Selbstwirksamkeit und steigert unter Umständen das Interesse der Person, eine Handlung bzw. Tätigkeit auszuführen bzw. zu wiederholen. Das gesteigerte Interesse resultiert daraus, dass Menschen herausfordernde Aktivitäten als interessanter einstufen als solche, die problemlos ausgeführt werden können. Zudem können geeignete Anreize helfen, individuelle Bestleistungen abzurufen, indem Individuen motiviert werden, ihre eigenen Grenzen auszutesten. Damit die eigenen Selbstwirksamkeitserwartungen gesteigert werden können, ist es jedoch wichtig, dass die eigenen Handlungen gegenüber einem geeigneten Leistungsstandard bewertet werden können. Daher sollten übergeordnete Zielvorstellungen immer in geeignete Zwischenziele überführt werden. Wenn diese erreicht werden und die eigene Kompetenz als zentrale Ursache für das gewünschte Ergebnis angesehen wird, steigt die Selbstwirksamkeit und das Herausforderungsniveau kann kontinuierlich angehoben werden, sodass auch solche langfristigen Ziele erreicht werden können, die unter Umständen zum Zeitpunkt der Formulierung noch unmöglich erschienen. Eine hohe Selbstwirksamkeitsüberzeugung kann somit dazu führen, dass Individuen intrinsisch motiviert sind, herausfordernde Handlungen auszuführen, da sie eher an ihnen interessiert sind und diese ihr Kompetenzerleben fördern. Im Gegensatz dazu versuchen Menschen mit einer geringen Selbstwirksamkeitsüberzeugung eher Verantwortung abzugeben, statt Herausforderungen selbst zu überwinden. Im Alltag lassen sich zudem Situationen beobachten, in denen die Selbstwirksamkeit von Individuen unterminiert wird, sodass diese häufig eine geringere Leistung erbringen, als ihre Fähigkeiten ihnen ermöglichen würden.⁴
Das konzeptuelle Verständnis der Selbstwirksamkeit weist sowohl für den privaten als auch für den beruflichen Alltag Implikationen auf. Jeder Mensch sieht sich früher oder später mit Herausforderungen konfrontiert, die er in irgendeiner Form überwinden muss. Die Erkenntnisse lassen sich jedoch nicht nur auf Schwierigkeiten übertragen, die in der Regel als etwas Negatives wahrgenommen werden, sondern können auch dabei helfen, ambitionierte Ziele zu setzen und diese langfristig zu verfolgen. Wie bereits beschrieben, ist das Vorhandensein von relevanten Fähigkeiten allein nicht ausreichend, um sich den vorhandenen Herausforderungen zu stellen. Wenn es also zutrifft, dass zudem ein ausreichendes Maß an Selbstwirksamkeit benötigt wird, dann eröffnet sich an dieser Stelle ein neues Problem. Eine Steigerung der Selbstwirksamkeit erfolgt nicht über Nacht – ähnlich wie eine Steigerung des Selbstbewusstseins oder des Selbstwertgefühls – sondern ist das Ergebnis eines langen Prozesses. Es erscheint somit wichtig, dass das Kompetenzerleben der einzelnen Person schon früh in den Vordergrund gestellt und ausreichend gefördert wird. Zusätzlich ist es fraglich, inwieweit Selbstwirksamkeitsüberzeugungen handlungsspezifisch sind. Auch wenn sich argumentieren lässt, dass eine hohe Selbstwirksamkeit in Bezug auf eine explizite Handlung keine direkten Auswirkungen auf andere Aktivitäten hat, ließe sich vermuten, dass das Gefühl, einen Erfolg aufgrund der eigenen Kompetenz erzielt zu haben, sich auch auf andere Bereiche des eigenen Lebens auswirkt. So wäre es denkbar, dass ein signifikanter Erfolg in einem bestimmten Bereich dazu führt, dass ein Individuum eher davon überzeugt ist, auch Herausforderungen in einem anderen Bereich meistern zu können.
Auch wenn es wahrscheinlich ist, dass der Großteil der individuell wahrgenommenen Selbstwirksamkeit aus den eigenen Erfahrungen resultiert, kann diese potentiell auch von außen beeinflusst werden. So könnte beispielsweise die Bestätigung von Kollegen, Freunden oder Familienmitgliedern einen positiven Einfluss nehmen, indem diese ihre Überzeugung teilen und klar kommunizieren, dass man in der Lage ist, eine Handlung auszuführen und das gewünschte Leistungsergebnis zu erzielen. Dabei kann es jedoch immer vorkommen, dass eine Diskrepanz zwischen der Selbsteinschätzung und der Fremdeinschätzung seitens anderer Personen vorliegt. In diesem Fall könnte es von Vorteil sein, wenn die Ermutigung nicht bloß allgemein erfolgt, sondern anhand spezieller Situationen, in denen bereits vergleichbare Erfolge erzielt wurden, verdeutlicht wird, warum die Person auch in Bezug auf diese Herausforderung erfolgreich sein wird. Die ermutigenden Personen haben so eine leitende Funktion inne, indem sie die handelnde Person unterstützen, die eigene Selbstwirksamkeit wahrzunehmen. Zuletzt ist zu berücksichtigen, dass auch der umgekehrte Fall eintreten könnte. Wenn die Selbstwirksamkeit (fälschlicherweise) als zu niedrig eingestuft wird, können geeignete Anreize die eigenen Anstrengungen erhöhen und möglicherweise stellt man fest, dass die eigenen Fähigkeiten sehr wohl ausreichen, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Wenn die Selbstwirksamkeit jedoch (fälschlicherweise) als zu hoch eingeschätzt wird oder situative Einflüsse dazu führen, dass die erwartete Leistung nicht realisiert werden kann, senkt dies potentiell die eigenen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen, die über einen langen Zeitraum aufgebaut wurden. Insbesondere wenn nicht die eigene Leistung, sondern externe Einflüsse zur Nichterreichung des Ziels geführt haben, ist es von Bedeutung, dass die Situation ausreichend reflektiert und angemessen bewertet wird, da eine derartige Situation sonst einen destruktiven Charakter aufweisen könnte, der die individuelle Leistungsbereitschaft unter Umständen langfristig verringert.
Individuelle Selbstwirksamkeitserwartungen haben einen signifikanten Einfluss darauf, welche Handlungen Menschen aufnehmen und welche sie vermeiden. Ein starker Anreiz, eine Tätigkeit aufzunehmen, ist wirkungslos, solange die handelnde Person der Überzeugung ist, dass sie mit den eigenen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, die benötigte Leistung zu realisieren. Wenn vergangene Erfolge jedoch auf die eigene Kompetenz zurückgeführt werden können und das positive Kompetenzerleben im Vordergrund steht, steigt die eigene Selbstwirksamkeit und damit die Bereitschaft, herausforderndere Handlungen aufzunehmen. Die Steigerung der Selbstwirksamkeitsüberzeugung unterliegt dabei einem langfristigen Prozess, sodass es von Vorteil ist, wenn das Kompetenzerleben bereits im Kindesalter gefördert wird. Dadurch eröffnen sich potentiell neue Chancen und es wird ermöglicht, dass man immer ambitioniertere Ziele verfolgt, statt sich in die Bequemlichkeit zu flüchten.
¹ Bandura, A. (1994). Self-efficacy. In V. S. Ramachaudran (Ed.), Encyclopedia of human behavior (Vol. 4, pp. 71-81). New York: Academic Press. (Reprinted in H. Friedman [Ed.], Encyclopedia of mental health. San Diego: Academic Press, 1998).
² Bandura, A. (1977). Self-efficacy: toward a unifying theory of behavioral change. Psychological review, 84(2), 191-215.
https://doi.org/10.1037/0033-295X.84.2.191.
³ Bandura, A., & Locke, E. A. (2003). Negative self-efficacy and goal effects revisited. Journal of applied psychology, 88(1), 87-99.
https://doi.org/10.1037/0021-9010.88.1.87.
⁴ Bandura, A. (1982). Self-efficacy mechanism in human agency. American psychologist, 37(2), 122-147.
https://doi.org/10.1037/0003-066X.37.2.122.