Nie war es leichter, mit Menschen auf der ganzen Welt zu kommunizieren und zu interagieren. Diese Tatsache wirkt sich auf alle Bereiche unseres Lebens aus - unabhängig ob privat oder beruflich. Die Verbreitung neuer Medien führt dazu, dass wir uns in einer immer stärker vernetzten Gesellschaft wiederfinden. Den großen Plattformen ist es gelungen, immer mehr Individuen anzuziehen und den eigenen Nutzerstamm kontinuierlich zu erhöhen. Viele technologische Hilfsmittel, die mittlerweile fester Bestandteil unseres Alltags sind, sind jedoch nur deshalb für eine breite Masse attraktiv, weil es ausreichend andere Nutzer gibt. Man spricht in diesem Kontext auch von Netzwerkeffekten. Es stellt sich somit die Frage, welchen Einfluss Netzwerkeffekte auf die Verbreitung neuer Technologien haben. Im Rahmen dieses Posts soll betrachtet werden, was Netzwerkeffekte sind, welche Bedeutung ihnen bei der Einführung neuer Produkte und/oder Dienstleistungen zukommt und ob die zu ihrer Nutzung notwendigen Voraussetzungen von Organisationen selbstständig geschaffen werden können.
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Netzwerkeffekte sind nicht exklusiv in sozialen Netzwerken zu finden, sondern treten in vielen Branchen und unterschiedlichen Konstellationen auf. Prinzipiell können sowohl Plattformen als auch einzelne Produkte und/oder Dienstleistungen von positiven Netzwerkeffekten profitieren. Für das Verständnis bietet es sich an dieser Stelle an, zunächst eine Definition des Begriffs zu betrachten. Auf Investopedia wird der Netzwerkeffekt als
a phenomenon whereby increased numbers of people or participants improve the value of a good or service.¹
beschrieben. Auch wenn sich verschiedene Definitionen hinsichtlich ihres genauen Wortlauts unterscheiden, so ist die grundlegende Annahme einer Wertsteigerung durch eine höhere Anzahl an Nutzern überall zu finden. Dabei ist jedoch anzumerken, dass verschiedene Wissenschaftler darauf verweisen, dass Netzwerkeffekte nicht nur auf Personen anwendbar sind, sondern auch auf abhängige Produkte. Ein viel diskutiertes Beispiel dafür sind Spielkonsolen, deren wahrgenommener Wert steigt, wenn mehr zughörige Spiele zur Verfügung stehen. Die Anwendbarkeit des Netzwerkeffekts auf Produkte wurde auch schon von den Autoren, auf die das Konzept „Netzwerkeffekt“ zurückgeht, beschrieben. Katz & Shapiro (1994) unterscheiden in ihrer einflussreichen Arbeit zwischen direkten Externalitäten bei der Einführung (Communications Networks) und indirekten Externalitäten (The Hardware / Software Paradigm). In einem Kommunikationsnetzwerk wollen die Nutzer mit anderen Nutzern interagieren und profitieren somit davon, wenn mehr Nutzer vorhanden sind. In Systemen, die nur funktionieren, wenn mindestens zwei Komponenten vorhanden sind, nehmen Externalitäten nur indirekt Einfluss, indem bereits beim Kauf des zugrundeliegenden Produkts beurteilt wird, ob in der Zukunft ein Angebot verfügbar ist, das das entsprechende Produkt ergänzt.² Offensichtliche Beispiele für derartige Systeme lassen sich insbesondere im Entertainmentbereich finden, da viele Produkte ein zentrales Medium zum Abspielen benötigen (Filme, Musik, Computerspiele, etc.).
Netzwerkeffekte sind aus Marketingsicht ein hochspannendes Phänomen, da die bereits existierenden Nutzer in einem solchen Umfeld eine zusätzliche Rolle erhalten: Da sie selbst aufgrund der obengenannten Umstände profitieren, wenn neue Nutzer in das Netzwerk eintreten, haben sie einen starken Anreiz, selbst neue Nutzer zu akquirieren. Organisationen, die ihre Produkte und/oder Dienstleistungen in entsprechenden Systemen vertreiben, erhalten somit Unterstützung bei ihren eigenen Wachstumsanstrengungen. Diese Beobachtung wirkt sich auch darauf aus, wie entsprechende Marketingkampagnen aufgebaut werden sollten. Ein großer Teil der Marketingliteratur priorisiert den Fokus auf Bestandskunden, da es in der Regel weniger Ressourcen bedarf, einen bestehenden Kunden zu halten als einen neuen Kunden zu gewinnen. In einer Situation, in der ein starker Netzwerkeffekt vorliegt, erscheint der gegenteilige Ansatz plausibel: Der Wert eines Neukunden ist bedeutend höher als der eines Bestandskunden, sodass die Marketingaktivitäten darauf abzielen sollten, dass neue Nutzer akquiriert werden. Kurzfristig kann dies unter Umständen zu finanziellen Einbußen führen, langfristig ist jedoch davon auszugehen, dass die steigende Attraktivität des Produkts oder der Dienstleistung dazu führt, dass der Anbieter damit deutlich erfolgreicher ist. Diese alternative Herangehensweise deckt sich mit der steigenden Verwendung von nutzergenerierten Inhalten (User Generated Content). Große Plattformanbieter kreieren kein direktes Produkt für den Endkunden, sondern schaffen eine Marktsituation, in der private Individuen sowohl die Angebotsseite als auch die Nachfrageseite bedienen. Organisationen, die auf diese Weise operativ tätig sind, müssen in der lagen sein, sowohl private Anbieter als auch private Verbraucher anzuziehen. Wenn es ihnen gelingt, ein starkes Fundament zu erschaffen, kann ein selbstständiger Kreislauf entstehen, der in starkem Wachstum resultiert.³
Ein reiner Fokus auf der Akquise von Neukunden könnte jedoch auch dazu führen, dass bestehende Nutzer das Netzwerk verlassen und der Kundenstamm somit stagniert. Organisationen, die in kurzer Zeit ihre operative Tätigkeit skalieren wollen, sollten daher Rahmenbedingungen schaffen, die bestehende Mitglieder im Netzwerk halten. Wenn dies nicht über eine qualitative Abgrenzung zu möglichen Konkurrenten erfolgen kann, ist es auch denkbar, dass kurzfristige finanzielle Anreize zielführend sein könnten. Auch wenn dies in der Regel mit Umsatzeinbußen einhergeht, werden die zukünftigen Gewinne in der Lage sein, diese Verluste auszugleichen. Der Netzwerkeffekt kann zudem dazu führen, dass die Marketingausgaben gesenkt werden können, da bestehende Kunden neue Nutzer akquirieren, sodass die möglichen finanziellen Verluste weniger Tragweite besitzen. Organisationen, die den Netzwerkeffekt bestmöglich nutzen wollen, sollten jedoch darauf achten, dass möglichst wenig Eintrittsbarrieren existieren.
Es ist durchaus möglich, dass solche Barrieren sowohl auf der Seite der bestehenden Nutzer als auch auf der Seite der neuen Nutzer existieren können. Jegliche Hindernisse, die die Einführung einer neuen Technologie durch die Konsumenten erschweren, schwächen den Netzwerkeffekt. Gleichzeitig könnte eine derartige Schwächung aber auch dann vorliegen, wenn es für bestehende Mitglieder des Netzwerks keine einfache Möglichkeit gibt, ihrem persönlichen Umfeld von der Existenz des Netzwerks zu berichten. Viele Plattformen haben lösen dieses Problem, indem sie eine Funktion integriert haben, mit deren Hilfe bestehende Nutzer die Möglichkeit haben, Personen aus ihrem Umfeld direkt in das Netzwerk einzuladen. Dieser Mechanismus bietet gleichzeitig den Vorteil, dass die kontaktierten Individuen zunächst über eine bekannte Person von einem Produkt und/oder einer Dienstleistung erfahren, sodass die Hemmschwelle, sich auf eine Verwendung einzulassen, gesenkt wird. Auch wenn sich mit Sicherheit nicht jede Organisation in einer Situation befindet, in der Netzwerkeffekte genutzt werden können, so ist dennoch davon auszugehen, dass viele technische Innovationen von diesem Effekt profitieren. Die Abhängigkeit von anderen Nutzern ermöglicht exponentielles Wachstum, sofern das entsprechende Angebot in der Lage ist, echte Fans zu gewinnen, die sich aktiv für eine Marktdurchdringung der Technologie einsetzen. Betrachtet man die größten Internetkonzerne, fällt schnell auf, dass diese Strategie auch extrem profitabel sein kann. Wenn Organisationen ihr operatives Tagesgeschäft jedoch weitestgehend nur darauf ausrichten, eine Plattform mit relevantem Funktionsumfang zur Verfügung zu stellen, sollten sie sich vor Augen halten, dass sie einen Teil der Kontrolle über die Plattform an die Inhaltsersteller abgeben und voraussichtlich einen hohen Anteil ihrer Ressourcen in die Pflege der Attraktivität der Plattform und die Verwaltung der Inhalte investieren müssen.
Die Kraft von Netzwerkeffekten sollte von Marketern nicht unterschätzt werden, da sie in der Lage sind, technologischen Wandel und die Verbreitung von neuen Produkten und/oder Dienstleistungen signifikant zu beschleunigen. Jedoch sind nicht alle Organisationen in der Lage, selbst eine Situation zu kreieren, in der sie von dem Effekt profitieren können. Es erscheint jedoch wahrscheinlich, dass grundlegende Elemente auch ohne einen starken Netzwerkeffekt für die eigenen Marketingaktivitäten von Vorteil sein können. So ist es beispielsweise schwer vorstellbar, dass eine Organisation Schaden nimmt, wenn sie es ihren Kunden leichter macht, Informationen über das eigene Angebot mit dem jeweiligen Umfeld zu teilen. Wenn Individuen von einer neuen Technologie begeistert sind und davon profitieren, wenn noch mehr Personen diese Technologie verwenden, dann ist davon auszugehen, dass sie aktiv versuchen werden, neue Nutzer zu akquirieren. In diesem Fall übernehmen die Nutzer einen wesentlichen Teil des Marketings und Organisationen haben die Möglichkeit, schnell ihre operativen Tätigkeiten zu skalieren.
¹ Banton, Caroline (Reviewed by Julius Mansa). 2021. “Network Effect”. Investopedia. Accessed October 11, 2021.
https://www.investopedia.com/terms/n/network-effect.asp.
² Katz, M. L., & Shapiro, C. (1994). Systems competition and network effects. Journal of economic perspectives, 8(2), 93-115.
https://doi.org/10.1257/jep.8.2.93.
³ Zhang, K., Evgeniou, T., Padmanabhan, V., & Richard, E. (2012). Content contributor management and network effects in a UGC environment. Marketing Science, 31(3), 433-447.
https://doi.org/10.1287/mksc.1110.0639.